Washington. . Die Republikaner greifen im US-amerikansichen Präsidenten-Wahlkampf offenbar zu unfairen Mitteln. 20 von ihnen regierte Bundesstaaten versuchen das klassische Wählerklientel von US-Präsident Obama an der Stimmabgabe zu hindern: Sie führen teure Fotoausweise ein.
Der Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA wird schon jetzt mit harten Bandagen geführt. Fast 20 US-Bundesstaaten, in denen Republikaner regieren, haben die Wahlgesetze so verschärft, dass am 6. November bei der Präsidentenwahl vor allem jenen Gruppen, die 2008 mehrheitlich Obama wählten, der Gang an die Wahlurne fast unmöglich gemacht wird. Forscher sprechen von einem politisch motivierten Skandal zugunsten des republikanischen Kandidaten Mitt Romney.
Nicht nur, dass die betreffenden Staaten die Wähler-Registrierung (ohne die geht nichts) und die Stimmabgabe weit vor dem eigentlichen Urnengang einschränken – für rund fünf Millionen Amerikaner wird die Teilnahme an der Präsidentschafts-Wahl am 6. November „nahezu unmöglich gemacht“, hat jetzt das „Brennan Center of Justice“ der Universität von New York festgestellt. Wie? Indem die Behörden kostspielige Fotoausweispflichten einführen, die noch vor Jahren kein Thema waren.
Die Republikaner machen teure Fotoausweise zur Pflicht
Und das geht so: Amerikaner haben keine Personalausweise nach deutschem Muster. Bei Behördengängen reichen in der Regel der Führerschein, die Sozialversicherungsnummer oder ein anderes Papier aus, das Existenz und Wohnsitz nachweist, um die wichtigste Dinge zu erledigen. Die 2010 vielerorts mit republikanischen Mehrheiten verabschiedeten Wahlgesetze schreiben nun vor, dass alle Wähler einen mit Foto ausgestatteten Ausweis vorweisen müssen, der in der Regel kostenlos ausgestellt wird. Und an dieser Stelle wird es „tricky“.
Den Pass mit Bild gibt’s nur, wenn der Antragsteller eine beglaubigte Geburts- oder Heiratsurkunde beibringen kann. Die wiederum kostet bis zu 25 Dollar und ist gerade in ländlichen Gebieten im Süden nicht in jeder Kleinstadt zu haben. Die Forscher vom „Brennan Center“ haben ermittelt, dass Hunderttausende meilenweit für das Dokument fahren oder gehen müssten. Mit dem Bus oder zu Fuß, weil vor allem Schwarze, Alte, sozial Schwache und Latinos oft kein Auto besitzen – und darum auch keinen Führerschein.
Ein Großteil der Wähler von Obama kann sich die Extrakosten nicht leisten
Genau diese Klientel aber hat 2008 mit überwältigenden Anteilen Obama gewählt. Das soll sich nicht wiederholen, finden Republikaner und geben wie der Abgeordnete Mike Turzai in der Volksvertretung von Harrisburg/Pennsylvania öffentlich zu, worum es ihnen eigentlich geht: um Abschreckung.
Besagte Wählerschichten sollen am besten zu Hause bleiben. Turzai unverblümt: „Das Fotoausweis-Gesetz wird es Gouverneur Mitt Romney erlauben, in Pennsylvania zu gewinnen.“ Charles Blow, renommierter Kolumnist der New York Times, erinnert dieses Gebaren an düstere Zeiten der Rassentrennung, die keine 50 Jahre zurückliegen. Damals mussten, um nur eine Schikane zu nennen, Schwarze in den USA Kopfsteuern entrichten, um wählen zu dürfen.
Die US-Regierung klagt vor dem Obersten Gerichtshof
Viele blieben den Urnen fern. Blow appelliert an die Demokraten: „Wenn sie nicht bald aufwachen, könnte diese Wahl gestohlen werden.“ Justizminister Eric Holder, selbst Schwarzamerikaner, kann der Argumentation des „Brennan Centers“ viel abgewinnen; wonach die neuen Wahlgesetze eine „schwere Belastung für ein elementares Verfassungsrecht sind, das universell jedem Bürger zusteht“. Ob die Klage der Regierung in Washington vor dem Obersten Gerichtshof gegen den Bundesstaat Pennsylvania vor dem 6. November zum Erfolg führt, ist allerdings ungewiss. Zumal die Republikaner in die Offensive gehen und die Gesetze offensiv verteidigen.
Sie argumentieren: Wer Mitglied in einer Stadtbibliothek sein wolle, müsse schließlich auch einen Ausweis vorzeigen. Und: Damit werde Wahlbetrug bekämpft. Eine Argument, das aber selbst bei konservativen Juristen nur sehr eingeschränkt zieht. Denn bei rund 180 Millionen registrierten Wählern gab es USA-weit in den vergangenen zehn Jahren offiziell lediglich 400 erwiesene Schummeleien, die auf erfundene Identitäten zurückgingen.
Ein Waffenschein wird als Ausweis akzeptiert - ein Studentenausweis nicht
Die Dimension der Verschärfungen, die noch nicht überall in Kraft getreten sind, ist beachtlich: Florida, Georgia, Illinois, Iowa, Kansas, Mississippi, New Hampshire, Ohio, Pennsylvania, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Virginia, Wisconsin und West Virginia haben die Daumenschrauben angezogen. Zusammen stehen sie für 214 Stimmen im Wahlmänner-Gremium, das nach der Abstimmung am 6. November die eigentliche Präsidentenkür vollzieht; 270 Stimmen braucht der Gewinner.
Besonders ist die Trickserei in Texas. Im streng republikanischen Cowboy-Staat, wo rund 800 000 Menschen von den neuen Regelungen betroffen sind, wird der Waffenschein als Identifikation akzeptiert – ein Studentenausweis aber nicht.