Rom. . Zum zweiten Mal in neun Tagen bebte die Erde rund um Modena und Bologna. Diesmal gab es 17 Tote. Man gehe inzwischen von etwa 350 Verletzten und 14.000 Obdachlosen aus. Es herrscht Fassungslosigkeit in einer Gegend, die gar nicht als erdbebengefährdet galt.
Alberto Silvestri, der Bürgermeister von San Felice, spricht mit dünner Stimme. „Wir haben die Ärmel hochgekrempelt nach dem Beben vor neun Tagen. Es war so ein starker Wille da, bei allen von uns, gleich wieder loszulegen, uns wieder ins Spiel zu bringen.“
San Felice sul Panaro nämlich hat an diesem Dienstagmorgen schon wieder gebebt. Fast genauso stark wie beim erstenmal. Zu den Toten gehören ausgerechnet jene, die ein Fabrikgebäude auf seine Stabilität und seine möglichst schnelle Wiederverwendbarkeit untersuchen sollten: Just während dieser Prüfung stürzte es zusammen und begrub einen Ingenieur und zwei Arbeiter unter sich.
Die Erde schüttelte sich den ganzen Tag lang
Vier Arbeiter starben beim Erdbeben am 20. Mai; diesmal zählte man 17 Tote. Rund 350 Menschen wurden verletzt, Tausende durch das Beben obdachlos. Rund zwölf Stunden nach dem Beben bargen Retter eine Frau aus den Trümmern ihres Hauses - lebend.
Um neun Uhr morgens hatte der Boden zwischen Modena und Ferrara wieder angefangen zu beben; doch es blieb nicht bei dem einen Stoß: Die Erde schüttelte sich den ganzen Tag lang, häufig mit Stärken von über 5 auf der Richterskala.
Den mittelalterlichen Uhrturm in Finale Emilia, dessen mittendurch gebrochenes Zifferblatt geradezu als Symbol für das erste Beben galt, den gibt es seit diesem Dienstag gar nicht mehr. In der Stadt Mirandola ist der Dom eingestürzt, in einer schon beschädigten anderen Kirche starb der Pfarrer, als er – begleitet von einem Feuerwehrmann – eine Marienstatue retten wollte.
Eine wohlhabende Gegend
Aber nicht nur angeknackste Bauten haben jetzt den vernichtenden Stoß bekommen. Auch mindestens vier Angestellte in Europas modernstem Industriedistrikt für Biomedizin in der Umgebung von Mirandola wurden erschlagen. Eine ganze wohlhabende Gegend nördlich von Bologna steht unter Schock. Mit 6000 neuen Obdachlosen rechnete Italiens Katastrophenschutz am Dienstag – vorläufig wenigstens. Zu den fünftausend Personen, die nach dem ersten Beben nicht mehr in ihre Häuser zurückkonnten, sind bereits im Verlauf der letzten neun Tage weitere zweitausend dazugekommen.
Obendrein quollen massenweise Sand und Schlamm aus den Rissen der Gebäude. Häuser und Landschaften sehen aus wie nach einer Überschwemmung. Geologen können das erklären: Die Dörfer in der südöstlichen Po-Ebene liegen auf altem Fluss-Schwemmland. Der wassergesättigte Kies- und Sandboden verstärkt die Erdbebenwellen; die Verschiebungen im Boden drücken Wasser und Sand nach oben – doch im Untergrund bleiben die Hohlräume; damit könnten Häuser, die jetzt noch intakt scheinen, nach und nach ins Rutschen geraten.
Die Erdbebengefahr galt als niedrig
Im Gegensatz zu anderen Erdbeben, die sich auf einen großen Knall und ein paar kleinere Nachbeben beschränken, wird die Katastrophe in der Region Emilia, so sagen die Experten, noch eine schleichende, unüberschaubare Langzeitwirkung entfalten. Manche Dörfer, überlegt man in der Zone bereits, lassen sich wohl gar nicht mehr sicher bewohnen. Und überhaupt: Das Beben an diesem Dienstag scheint kein „Nachbeben“ gewesen zu sein, sondern ein eigenständiges, neues. Das beunruhigt besonders in einer Zone, die gar nicht als erdbebengefährdet gilt.
Erneutes Beben in Italien