Detmold. Die Geschwister der getöteten Kurdin Arzu Ö. sind zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Sirin und Osman, der Arzu erschossen hat, fanden vor Gericht bewegende Worte. “Ich bereue zutiefst“, sagte Sirin. Die Anwälte der Geschwister bestreiten, dass es einen Mordplan gegeben habe.
Die Geschwister der Kurdin Arzu Ö. sind vom Landgericht Detmold wegen der Entführung und Ermordung der 18-Jährigen zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Die Richter verhängten am Mittwoch gegen den Todesschützen Osman lebenslange Haft wegen Mordes und Geiselnahme. Auch die vier an der Tat beteiligten Geschwister wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Der Richter sprach von einer "Hinrichtung". Die Tochter sei für die Familie ein "Schmutzfleck" gewesen, insbesondere weil sie den Vater angezeigt hatte. Das Verfahren hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: "Es ist gut, dass wir diese Medienöffentlichkeit haben, damit die Menschen erfahren, was diesen jungen Frauen angetan wird", erklärte der Richter.
Geständnis zu Prozessbeginn
Ein Bruder des Opfers hatte zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt. Der 22-jährige Osman Ö. gab zu, dass er seine Schwester im November 2011 auf dem Weg nach Lübeck in einem Waldstück erschossen hat.
Er sei "außer Kontrolle geraten" und habe seine Schwester getötet, weil sie sowohl ihn als auch seine Eltern beleidigt habe, sagte der Angeklagte. Die junge Frau, die er und vier weitere Geschwister in Detmold verschleppt haben sollen, habe ihn beschimpft und provoziert. Laut Staatsanwaltschaft hatten die vier Brüder und eine Schwester das 18-Jährige Opfer aus der Wohnung ihres deutschen Freundes in Detmold entführt, weil die jesidische Familie die Beziehung der beiden nicht tolerierte.
Rechtsanwälte bestreiten Mordplan der Angeklagten
Am Mittwoch forderte der Oberstaatsanwalt Ralf Vetter lebenslange Haftstrafen für die wegen Mordes angeklagten Osman, Kirer und Sirin. Für Kemal und Elvis hält er elf Jahre bzw. elfeinhalb Jahre Haft wegen Geiselnahme mit Todesfolge für angemessen. Die Rechtsanwälte von Sirin und Kyrien bestreiten in ihren Plädoyers, dass es einen Mordplan gegeben habe. Der Plan sei lediglich gewesen, Arzu wieder nach Hause zu holen.
Der Rechtsanwalt von Sirin plädierte lediglich auf sieben Jahre Gefängnis wegen Geiselhaft. Sirin hätte sichtlich überreagiert, aber eine Verurteilung wegen Mordes wäre falsch. Auch der Rechtsanwalt von Kirer, Andreas Chlostra, betonte, dass das Zusammentreffen der fünf Geschwister spontan gewesen sei. Kirer hätte Syrin zugesagt, Arzu zurück zu holen und fühlte sich dabei nicht an die Regeln des Vater gebunden. Deshalb plädierte Chlostra für eine angemessene Strafe wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
Bewegende Worte von Sirin und Osman
Auch die Anwälte von Kemal, Elvis und Osman betonten, dass es keinen Mordplan gegeben habe. Rechtsanwältin Renner vertritt Elvis, den jüngsten der Geschwister. Dem 21-Jährigen wird Geiselnahme mit Todesfolge vorgeworfen. Renner sagte, Elvis habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Er sei in die Situation hineingerutscht. Sie fordert für ihren Mandanten deshalb zwei Jahre auf Bewährung.
Für Kemal fordert Rechtsanwalt Binder eine angemessene Strafe - aber nicht für Geiselnahme mit Todesfolge, sondern nur für Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Er plädierte für deutlich unter drei Jahren Haft. Seine Begründung lautet, wie auch bei den anderen Geschwistern, dass es keinen klaren Mordplan gegeben habe. Es sei nur darüber geredet worden, Arzu nach Hause zu holen.
Rechtsanwalt Schöll, der Anwalt von Osman, sagte, es handle sich deshalb nicht um Mord, sondern um Totschlag und Geiselnahme. Osman hatte zugegeben, seine Schwester erschossen zu haben. Als die Angeklagten das Wort ergreifen dürfen, ringt er sichtlich um Fassung und kämpft mit Tränen. Er sagt: "Was am 1. November passiert ist, war niemals geplant, niemals gewollt. Ich wollte niemals meine Schwester umbringen, die ganze Sache ist eskaliert."
Auch Sirin, die Schwester von Arzu, spricht offen vor Gericht. Sie hätte sich mit der Entscheidung meiner Schwester abfinden müssen und die Entscheidung meiner Eltern akzeptieren müssen, dass Arzu verstoßen werde, sagte Sirin. Und fügt hinzu: "Arzu hat ihren Platz in meinem Herzen und ich wünsche mir, dass sie mir verzeiht. Ich bereue zutiefst."
Heftige Auseinandersetzungen
Der tödlichen Gewalttat vorausgegangen waren offenbar heftige Auseinandersetzungen zwischen Arzu Ö., ihren Eltern und ihren Geschwistern. Dabei soll sie von ihrer Familie immer wieder eingesperrt und verprügelt worden sein. Kurz vor der Tat flüchtete die junge Frau in ein Frauenhaus, legte sich einen neuen Namen und ein neues Aussehen zu. Durch ihren Kontakt zu ihrem Freund kam ihr ihre Schwester auf die Spur. (mit dapd)