Oslo. Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik ist laut einem neuen Gutachten zurechnungsfähig. In einem ersten Gutachten war bei Breivik eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Breivik hat bereits gestanden, in Oslo und Utöya für den Tod von 77 Menschen verantwortlich zu sein.
Ein neues psychologisches Gutachten hält den norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik als voll zurechnungsfähig eingestuft und damit einer ersten Einschätzung widersprochen. Der 33-Jährige habe während seiner Taten nicht an einer Psychose gelitten, erklärten die mit der Untersuchung beauftragten Gutachter am Dienstag in Oslo. Der Prozess gegen Behring Breivik, der im Juli 77 Menschen getötet hatte, beginnt am Montag.
Behring Breivik sei aufgrund dieser Einschätzung für seine Taten verantwortlich, erklärten die beiden Psychiater Agnar Aspaas und Terje Törrissen in der von dem Osloer Gericht veröffentlichten Mitteilung. Es bestehe zudem ein "hohes Rückfallrisiko" des Attentäters. Vor Journalisten sagte Törrissen, die beiden Psychiater hätten "genausoviel, wenn nicht noch mehr Material" für ihre Einschätzung zur Verfügung gehabt wie ihre mit der Erstellung des ersten Gutachtens beauftragten Kollegen.
Haftstrafe oder geschlossene Anstalt?
In dem ersten Gutachten war Behring Breivik zunächst wegen "paranoider Schizophrenie" für unzurechnungsfähig erklärt worden. Das könnte ihm eine Haftstrafe ersparen und er würde stattdessen in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden. Letztlich entscheiden aber die Richter mit ihrem Urteil über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten; die Gutachter haben nur eine beratende Funktion.
Für ihr Gutachten werteten Aspaas und Törrissen elf Interviews mit dem Angeklagten, Einschätzungen einer dreiwöchigen ständigen Beobachtung sowie die Protokolle der Polizeiverhöre aus. Die zweite Untersuchung war nach heftigen Protesten von Anwälten der Opfer von der Justiz angeordnet worden.
Behring Breivik hatte am 22. Juli im Regierungsviertel von Oslo mit einer Autobombe acht Menschen getötet. Anschließend erschoss er in einem Sommerlager der regierenden Arbeiterpartei auf der Insel Utöya 69 Teilnehmer, hauptsächlich Teenager.
Für Breivik sei Psychiatrie "schlimmer als der Tod"
Dass das neuerliche Gutachten den 33-Jährigen für zurechnungsfähig erklärt, dürfte paradoxerweise im Sinne der Verteidigung sein: Demnach ist es der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten, nicht als schizophren eingestuft zu werden. Der Norweger ist der Auffassung, dass ansonsten seine Ideologie in Zweifel gezogen würde. Kürzlich erklärte Behring Breivik zudem, in einer geschlossenen Anstalt zu sein, sei "schlimmer als der Tod".
Die norwegische Staatsanwaltschaft wollte sich am Dienstag nach Bekanntwerden des neuen Gutachtens nicht zu ihren möglichen Forderungen äußern. Sollten die Bedingungen für eine Haftstrafe sprechen, werde diese gefordert und wenn nicht, werde die Anklage für die Einweisung in eine geschlossene Anstalt plädieren, erklärten die mit dem Fall beauftragten Staatsanwälte. Die endgültige Position der Staatsanwaltschaft hänge von den im Prozess vorgelegten Beweisen und den Aussagen des Angeklagten ab.
Behring Breivik ist wegen "Terrorakten" und "vorsätzlicher Tötung" angeklagt. Der Prozess gegen ihn beginnt am kommenden Montag, mit einem Urteil wird nicht vor Mitte Juli gerechnet. Dem Attentäter droht die in Norwegen geltende Höchststrafe von 21 Jahren - allerdings kann diese immer wieder verlängert werden, wenn der Inhaftierte weiterhin als Gefahr für die Gesellschaft eingestuft wird. (afp)