Washington. Der US-Soldat, der in Afghanistan vor einer Woche 16 Zivilisten erschoss, darunter neun Kinder, soll aus Wut über einen am Vortag schwer verletzten Kameraden unter Alkoholeinwirkung zur Bluttat geschritten sein. Es war sein vierter Kriegseinsatz im Ausland - und nach Angaben seines Anwaltes wollte er eigentlich nicht mehr.

Seine Familie hat die US-Army an einem unbekannten Ort in Sicherheit gebracht; aus Angst vor Vergeltungsschlägen, wenn sein Name demnächst bekannt wird. An diesem Freitag wird der 38-jährige Feldwebel der 3. Stryker Brigade, 2. Infanterie aus Lewis-McChord im US-Bundesstaat Washington, der für eins der schlimmsten US-Kriegsverbrechen der vergangenen Jahre verantwortlich ist, in die Vereinigten Staaten geflogen. Seine zwischenzeitliche Verlegung von Afghanistan nach Kuwait war den dortigen Behörden mehr als unangenehm. Um seine Identität macht die amerikanische Regierung noch immer ein Staatsgeheimnis. Aber nach und nach sickern Details durch, die erste Konturen eines Menschen erkennen lassen, der im fatalsten Sinne zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Schwere Kopfverletzungen aus dem Irak-Einsatz

Nach Recherchen der „New York Times“ hat der Todesschütze von Kandahar vor seinem Amoklauf mit zwei Kameraden im Militärcamp Alkohol getrunken. Ein grober Verstoß gegen die Regeln. Die beteiligten Soldaten müssen mit Disziplinarverfahren rechnen. Was der Auslöser der Bluttat war, liegt weiter im Dunkeln. „Am Ende wird es eine Mischung aus Stress, Alkohol und persönlichen Problemen gewesen sein“, zitiert die „Times“ einen Ministeriumsmitarbeiter, der mit dem Fall vertraut ist.

Der Soldat war seit Dezember in Afghanistan stationiert, sein erster Einsatz am Hindukusch, sein insgesamt vierter Auslandseinsatz seit 2001. Drei Mal war der Irak das Ziel des mehrfach für soldatische Leistungen ausgezeichneten Vaters zweier kleiner Kinder (3 und 4 Jahre), der aus dem Mittleren Westen stammt. Im Irak, so viel ist bestätigt, zog sich der Scharfschütze bei einem Unfall mit einem Armee-Fahrzeug schwere Kopfverletzungen zu.

Keine Aussage zur Sache

Sein Anwalt John Henry Brown aus Seattle und die anonyme Experten-Quelle aus dem Pentagon sprechen unabhängig voneinander von Zweifeln, ob der Soldat physisch und psychisch einem vierten Kriegseinsatz überhaupt gewachsen war. Brown, ein Verteidiger für heikle Fälle wies Spekulationen als „völligen Blödsinn“ zurück, Ehe-Probleme könnten der Auslöser für die unfassbare Tat gewesen sein. Der Soldat ging heute vor einer Woche nachts in zwei Dörfern in der Provinz Kandahar von Haus zu Haus und erschoss nacheinander 16 Menschen, darunter neun Kinder, teilweise im Schlaf. Danach ging er zurück zu seinem Stützpunkt und stellte sich anstandslos. Aussagen zur Sache verweigerte er sich bis zuletzt mit dem Verweis, er habe das Recht auf einen Anwalt.

Keine Verhandlung vor afghanischem Gericht

Wie das erste Gespräch am Telefon mit seinem Mandanten verlaufen ist, darüber schweigt sich Anwalt Brown weitgehend aus. Sein Mandant sei im „Schockzustand“ verriet er der „Seattle Times“ und deutete auf einer Pressekonferenz bereits die Verteidigungslinie an. „Er war nicht begeistert, ein viertes Mal ins Ausland geschickt zu werden“, berichtet Brown über den Täter. Erst habe man ihm gesagt, er komme um ein weiteren Einsatz herum, dann habe man ihn doch losgeschickt, sagt Brown und bietet auch gleich ein Motiv für die Tat an: Am Vortag des Blutbads sei ein Kamerad aus derselben Einheit schwer verwundet worden. Um den möglicherweise strafmildernden Einfluss von posttraumatischen Belastungsstörungen zu klären, hat Brown mit Dr. Richard Adler einen landesweit bekannten Experten auf diesem Gebiet verpflichtet. Seinem Mandanten hat er geraten, weiter den Mund zu halten. Bis zu einem ersten persönlichen Gespräch. Es könnte schon an diesem Wochenende in Fort Leavenworth/Kansas stattfinden. Dort wird die Reise für den Massenmörder von Kandahar voraussichtlich vorläufig enden. Die Forderung der afghanischen Regierung, der Täter müsse in Afghanistan vor ein Gericht gestellt werden, sie erfüllt sich nicht.