Kabul. Der Amoklauf eines offenbar psychisch gestörten US-Soldaten in einem afghanischen Dorf verschärft die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und Afghanistan weiter. Die radikalislamischen Taliban drohen mit Vergeltung. Der amerikanische Soldat hatte am Sonntag 16 Zivilisten umgebracht.

Nach dem Amoklauf eines US-Soldaten in Afghanistan haben die Taliban mit Vergeltung gedroht. Sie würden sich für "jeden einzelnen Märtyrer bei den Eindringlingen und grausamen Mördern rächen", drohten die radikalislamischen Aufständischen am Montag auf ihrer Internetseite an. Am Sonntagmorgen hatte ein US-Soldat in der südafghanischen Provinz und Taliban-Hochburg Kandahar ein Massaker unter Dorfbewohnern angerichtet. Im Morgengrauen verließ er seinen Stützpunkt, brach in die Häuser der Menschen ein und tötete wahllos 16 Männer, Frauen und Kinder.

Der Mann wurde festgenommen, nach US-Angaben hatte er psychische Probleme. US-Präsident Barack Obama zeigte sich im Telefongespräch mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karsai zutiefst bestürzt und versprach eine rasche Untersuchung des Vorfalls. In ihrer Reaktion bezeichneten die Taliban die Angaben zum Zustand des US-Soldaten als Ausrede. Sollten sie aber stimmen, sei dies ein weiteres "Zeugnis für die moralische Verworfenheit des US-Militärs, da es in Afghanistan Verrückte bewaffnet, die dann ihre Waffen ohne zu zögern auf wehrlose Afghanen richten," erklärten sie auf ihrer Internetseite.

Bundeskanzlerin Merkel überraschend nach Afghanistan gereist

Der blutige Vorfall ist für die Nato-geführten internationalen Truppen in Afghanistan (ISAF) eine Katastrophe. Seit Monaten sind die Beziehungen zwischen Washington und Kabul gespannt. Nach der offenbar versehentlichen Verbrennung von Koran-Ausgaben durch US-Soldaten auf dem Militärstützpunkt Bagram nahe Kabul gab es Ende Februar im ganzen Land tagelange Proteste, bei denen 30 Menschen getötet und 200 weitere verletzt wurden. Im Zusammenhang mit der Koran-Verbrennung wurden bis 1. März sechs US-Soldaten von afghanischen Kollegen getötet. Nach dem Amoklauf vom Sonntag rechnet die ISAF nun mit weiteren Racheakten.

Mitten in die neuerlichen Spannungen fällt der unangekündigte Afghanistan-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin traf am Montagmorgen im deutschen Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif ein, um sich bei den Bundeswehrsoldaten über ihren Einsatz zu informieren. Ursprünglich wollte Merkel zum Feldlager in der Unruheprovinz Kundus fliegen, musste die Pläne aber wegen heftigen Schneefalls fallenlassen. Zuletzt war Merkel im Dezember 2010 in Afghanistan. Damals sprach sie erstmals im Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Einsatz von einem Kriegseinsatz. (afp)