Essen. . Der Schmuddelsender RTL II bleibt sich treu: Das Herbst-Programm ist ein Garant füralberne Shows und inszenierte Doku-Soaps, vermüllte Wohnzimmer und Fremdschäm-Faktor. Was als innovativ verkauft werden soll, ist aber weder neu noch originell.
Wer gerne in vermüllte Wohnzimmer guckt, Prolo-Familien beim Kampf mit der deutschen Grammatik zuhört, rundum gepiercte Sachsen in den Swingerclub begleitet oder Menschen sucht, die sich für eine Handvoll Euro zum Volldeppen machen, der schaltet RTL II ein.
„Wir werden gerne als Beispiel herangezogen, wenn es darum geht, auf die private Fernsehlandschaft einzuprügeln“, hat Jochen Starke erkannt, der Geschäftsführer des Schmuddelsenders. Es scheint ihm aber nicht wirklich weh zu tun, wenn man auf das blickt, was die Münchner in der kommenden Fernsehsaison präsentieren wollen. Programmdirektor Holger Andersen schwärmt zwar marktschreierisch von „spannenden Highlights“ und fabuliert von der „Innovationsstärke“ des Senders, aber das muss er schließlich. Denn wirklich neu, originell oder gar mutig ist eben nichts. Andersens Truppe setzt auf das berüchtigte Doku-Soap-Format, das mit inszenierten Wirklichkeiten aus dem Fernsehalltag der Privaten nicht mehr wegzudenken ist.
Mit „Frauentausch“, „Extrem schön! Endlich ein neues Leben“ und „Teenie-Mütter – wenn Kinder Kinder kriegen“ hat sich RTL II zwar schon kräftig durch die Niederungen deutscher Befindlichkeit gewühlt, aber dem organisierten Blödsinn sind keine Grenzen gesetzt.
Natürlich wird mal wieder eine „Traumfrau gesucht“
Darum muss demnächst ein Bräutigam seine Hochzeit allein und öffentlich vorbereiten („Sag’s nicht der Braut“), und natürlich wird mal wieder eine „Traumfrau gesucht“. Man muss keine ausgeprägte Phantasie haben, um sich auszumalen, welche Gestalten sich da bei arrangierten Verabredungen mit Frauen aus Osteuropa vorführen lassen. Sofern sich das Fremdschäm-Gefühl bei diesem Überangebot an Peinlichkeiten überhaupt noch aktivieren lässt, fragt man sich, was die Leute machen, wenn sie nach der Ausstrahlung ihren Arbeitskollegen, Eltern oder Nachbarn begegnen.
Das gewaltige Heer von Laiendarstellern fühlt sich bei RTL II gut aufgehoben, und es wächst und wächst. In neuen Doku-Serien wie „Zugriff – jede Sekunde zählt“, „Privatdetektive im Einsatz“ oder „Die Autoeintreiber“ werden Polizisten alles geben, um wie Polizisten zu wirken, und Detektive werden zu Fernsehdetektiven. Das ist der Erfahrung nach von gruseliger Qualität, findet aber sein Publikum.
Es wird gekocht und gecastet
Natürlich wird auch bei RTL II gekocht und gecastet, und wenn ein männlicher Kandidat gegen 50 Blondinen antreten soll („Beat the Blondes“), fiele einem kein passenderer Sender dafür ein. Gut möglich, dass sich noch ein paar Zapper zuschalten, die mit dem Ende des Automarkenrate-Kanals „9 Live“ ratlos vor ihren Geräten hocken und nach halbnackten Moderatoren-Imitaten fahnden.
Und am Ende ist doch noch Erstaunliches zu melden. Die Wissenschaftssendung „Schau dich schlau“ gehört ebenfalls zum Repertoire von RTL II. Zum Leitspruch für den Sender taugt es indes auch in Zukunft nicht.