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Kürzlich kritisierte Stephanie zu Guttenberg den Trend zur „Generation Porno“. Jetzt geht die Minister-Gattin beim Boulevard-Sender RTL II auf Jagd nach Kinderschändern. Wie passt das zusammen?

Die Übersexualisierung der Gesellschaft, Pornografie im Internet oder Popsängerinnen im Domina-Kostüm. Dem hat Stephanie zu Guttenberg den Kampf angesagt. In einem Buch warnt die Ehefrau des Bundesverteidigungsministers Theodor zu Guttenberg vor der Entwicklung der „Generation Porno“. Und ausgerechnet sie moderiert nun eine Dokumentations-Sendung bei RTL II. Ein Sender, der wegen niveauloser Formate wie „Big Brother“, „Frauentausch“ oder auch Reportagen mit dem Titel „Deutschlands Sexsüchtige packen aus“ nicht gerade als Bewahrer moralischer Werte gilt.

Am heutigen Donnerstag wird um 20.15 Uhr die erste Folge von „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ ausgestrahlt, in der zu Guttenberg gemeinsam mit Hamburgs Ex-Innensenator Udo Nagel mutmaßliche Sexualstraftäter überführen will. Die konservative Minister-Gattin und der Boulevard-Sender, der für die Quote oft auf Moral und Menschenwürde verzichtet. Wie passt das zusammen?

Neue Qualitätsoffensive von RTL II

Es scheint, als wolle sie RTL II zu positiveren Schlagzeilen verhelfen. Kaum ein Medienjournalist in Deutschland ließ in den vergangenen Wochen ein gutes Haar an dem Fernsehsender. Der Sender sei an Niveaulosigkeit nicht mehr zu überbieten, heißt es. Auch die Einschaltquoten rechtfertigen die TV-Formate nicht. Nun versucht RTL II seit August mit einer neuen Qualitätsoffensive seriöseres Fernsehen zu verkaufen.

Mit Stephanie zu Guttenberg, die auch Präsidentin des Kinderschutzvereins „Innocence in Danger“ ist, sei ein kompetentes Aushängeschild für die Sendung gewonnen worden, findet Gisela Braun, Fachreferentin für Prävention von Missbrauch der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz in NRW. Sie steht der Sendung offen gegenüber: „Sie rüttelt eben auf.“

Stephanie zu Guttenberg und Udo Nagel werden in der Sendung mutmaßliche Sexualverbrecher im Internet aufspüren und vor laufender Kamera an den Pranger stellen. Vorbild ist die amerikanische Serie „To Catch A Predator“. In der ersten Folge am heutigen Donnerstag gibt sich eine 18-jährige Schauspielerin bewusst als die 13-jährige Julia aus. Sie beginnt mit „catweazle22“ zu chatten und sendet ihm auf Anfrage einige gefälschte Fotos von sich. Auch er schickt ihr Nacktfotos und ein Video, das ihn bei der Selbstbefriedigung zeigt. Nachdem „Julia“ ein Treffen arrangiert hat, wird der mutmaßliche Pädo-Sexuelle vor Ort bereits von den Moderatoren erwartet. Das gesammelte Material soll nach jeder Sendung an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.

Heikles Thema

Mit „Tatort Internet“ wagt sich RTL II an ein heikles Thema heran. „Die Sendung verfolgt drei Ziele“, sagt Moderator Udo Nagel gegenüber DerWesten. Zunächst sollen die Eltern darüber aufgeklärt werden, was ihre Kinder im Netz alles erwarten könne. Aber ebenso müssten die Kinder selbst über die Gefahren im Internet informiert werden und ihnen Verhaltenstipps mit auf den Weg gegeben werden, so Nagel. „Das dritte Ziel muss sein, die Gesetze nachzubessern“, erklärt der Ex-Senator. Im Blick hat er dabei insbesondere die Datenvorratsspeicherung. Sie müsse per Gesetz wieder aktiviert werden. „Wenn ein Kind seiner Mutter erzählt, dass es im Chat von einem mutmaßlichen Pädo-Sexuellen angesprochen wurde, muss die Polizei das Gespräch zurückverfolgen können“, fordert Nagel.

RTL II arbeitet mit Autoren wie Beate Krafft-Schöning zusammen. Die Journalistin recherchiert seit Jahren zum Thema Kindesmissbrauch und ist Gründerin des Vereins „Netkids“. An ihrem Konzept orientiert sich „Tatort Internet“, denn auch Krafft-Schöning gibt sich regelmäßig als 12-Jährige aus, überredet ihre Chat-Partner zu einem Treffen und überführt sie dabei. Als Produzentin engagierte der Sender zudem Danuta-Harrich-Zandberg, die sich mit Reportagen über den Kriminalfall Walter Sedlmayr oder die Oetker-Entführung einen Namen gemacht hat.

Insgesamt zehn Folgen will RTL II zeigen, die erste Folge am Donnerstagabend, danach soll die Sendung immer montags laufen. RTL II entschied sich, die erste Folge vorzuziehen, weil „Tatort Internet“ Titelthema der aktuellen Ausgaben des „Sterns“ und der „Bild“ ist. Im Anschluss laufen „Frauentausch“ und die Reportage über Sexsüchtige. Moderator Udo Nagel hat kein Problem damit, dass die Sendung auf RTL II ausgestrahlt wird: „Wenn man die Sendung beispielsweise auf Arte zeigen würde, wird sie nicht von denen geguckt, die sie sehen sollen.“