Oslo. . 68 Menschen tötete Anders Behring Breivik auf der Insel Utöya. Ein jetzt veröffentlichtes SMS-Protokoll zwischen Mutter und Tochter zeigt die Todesangst, die die Jugendlichen durchlebten.
Nach den schrecklichen Ereignissen auf der Ferieninsel Utöya fällt es den Betroffenen schwer, über ihre Gedanken und Gefühle zum Zeitpunkt des Angriffs von Anders Behring Breivik zu sprechen. Die norwegische Zeitung „Verdens Gang“ veröffentlichte am Mittwoch nun einen SMS-Verkehr zwischen einem 16-jährigen Mädchen auf der Insel und seiner Mutter, der die ganze Brisanz der Ereignisse zeigt.
Als der Täter auf der Insel das Feuer eröffnet, rennt Julie Bremnes mit Freunden davon und versteckt sich hinter Felsen. Um 17. 42 Uhr geht bei ihrer Mutter die erste SMS ein: „Mama, sag der Polizei, dass hier Menschen sterben. Sie sollen sich beeilen.“ Die Mutter versucht, ihre Tochter zu beruhigen: „Ich kümmere mich, Julie. Die Polizei ist unterwegs. Kannst Du mich anrufen?“ Die Tochter antwortet knapp mit „Nein“ und schiebt dann hinterher: „Sag der Polizei, dass hier ein Verrückter ist, herumläuft und auf die Leute schießt.“ Und wieder: „Sie sollen sich beeilen.“
Im Folgenden dokumentiert DerWesten Kurzmitteilungen aus dem folgenden etwa 75-minütigen SMS-Verkehr, in dessen Verlauf Mutter und Tochter insgesamt 46 Botschaften austauschen:
Mutter: „Gib“ uns bitte unbedingt alle fünf Minuten ein Lebenszeichen.“
Julie: „Ok“
Julie: „Wir haben Angst zu sterben“
Mutter: „Ich weiß, mein Liebling. Bleibt in Eurem Versteck, geht nirgendwo hin. Die Polizei ist schon unterwegs, vielleicht ist sie sogar schon da! Siehst Du Verletzte oder Tote?“
Julie: „Wir verstecken uns hinter Felsen am Ufer.“
(...)
Julie: „Ich bin nicht in Panik, aber ich sterbe vor Angst.“
Mutter: „Ich weiß, mein Liebes. Wir sind wahnsinnig stolz auf Dich. Hörst Du noch Schüsse?“
Julie: „Nein“
(...)
Kurz nach 18.15 Uhr dann hoffnungsvolle Nachrichten von der Insel:
Julie: „Die Polizei ist hier“
Mutter: Der Mann, der schießt, trägt offenbar eine Polizei-Uniform. Seid also vorsichtig. Was passiert jetzt?“
18.30 Uhr
Julie: „Wir wissen es nicht.“
Mutter: „Kannst Du jetzt sprechen?“
Julie: „Nein“
Julie: „Er schießt immer noch.“
Mutter: „Das ist jetzt auf allen Fernsehsendern. Alle gucken nach Utöya. Pass weiter auf Dich auf. Wenn irgendwie möglich, versuch“ aufs Festland zu kommen.“
Julie: „Ich lebe noch.“
(...)
Julie: Wir hören immer noch Schüsse, wir trauen uns nicht, uns zu bewegen.“
Mutter: „Gut! Das Fernsehen sagt, sie beginnen, die Insel zu evakuieren.“
(...)
Mutter: „Liebling, bist Du da“
Julie: „Ja, über uns kreisen Hubschrauber.“
Mutter: „Also haben sie Euch zumindest gesehen?“
Julie: „Sie suchen die Menschen im Wasser, uns suchen sie noch nicht.“
19.01 Uhr
Julie: „Was gibt“s Neues in den Nachrichten?“
Mutter: „Die Polizei ist jetzt auch im Boot unterwegs nach Utöya. Was mit dem Schützen ist, ist unklar. Also bleibt ganz ruhig. Wartet, bis Euch jemand holen kommt.“
Mutter: „Jetzt haben sie ihn.“ (afp)