London. .

Wie „verrückt“ ist Behring Breivik, der mutmaßliche Attentäter von Oslo? Diese Frage sollen jetzt Psychiater klären. Der norwegische Geheimdienst nahm bereits vorweg, man halte den 32-Jährigen für „durchaus zurechnungsfähig“ und vielmehr „vollkommen böse“.

Der norwegische Geheimdienst hat bislang keine Hinweise auf Verbindungen des geständigen mutmaßlichen Attentäters Anders Behring Breivik zu „Zellen“ von Gleichgesinnten in Europa. Seit Freitag beschäftige sich der Geheimdienst eingehend mit der Frage nach Komplizen und werde dem auch weiter nachgehen, sagte Geheimdienstchefin Janne Kristiansen am Mittwoch in London. „Im Moment haben wir keine Beweise für die Existenz anderer Zellen, weder in Norwegen noch in Großbritannien“, fügte sie hinzu. Die Behörden arbeiteten aber eng mit denen in Europa, den USA und anderswo zusammen.

Behring Breivik, der bei zwei Attentaten in Oslo und auf der Ferieninsel Utöya 76 Menschen getötet haben soll, hatte nach Angaben seines Anwalts am Dienstag geäußert, nicht nur Kontakte zu zwei „Zellen“ in Norwegen, sondern auch zu Gleichgesinnten im Ausland gehabt zu haben. Sie halte das für „möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich“, sagte Kristiansen dazu. Medien hatten etwa berichtet, der Norweger habe Verbindungen zur britischen English Defence League (EDL) gepflegt, die islamfeindliche Kampagnen organisiert. Diese dementierte allerdings umgehend den Kontakt zu ihm.

Der Anwalt des 32-Jährigen hatte zudem erklärt, der gesamte Fall deute darauf hin, dass sein Mandant „verrückt“ sei. Psychiater sollten nun seinen Geisteszustand untersuchen. Die Geheimdienstchefin äußerte sich zu dieser Möglichkeit ablehnend: „Meiner Meinung nach ist er durchaus ein zurechnungsfähiger Mensch“, sagte sie. Er sei konzentriert und berechnend und habe über Jahre hinweg an seinen Plänen gefeilt. All das passe nicht zu einem verrückten Menschen. Behring Breivik sei vielmehr „vollkommen böse“.

Hauptbahnhof in Oslo teilweise evakuiert

Am Mittwochmorgen wurde der Hauptbahnhof in Oslo wegen eines verdächtigen Gepäckstücks teilweise evakuiert. Wie die Polizei mitteilte, wurde ein Bus nach dem Fund eines herrenlosen Koffers mit Spürhunden durchsucht. Es sei aber nichts gefunden worden. Nach zwei Stunden wurde die Sperrung wieder aufgehoben.

Für weiteren Wirbel sorgte eine Polizeimeldung zur Fahndung nach einem angeblichen Verehrer von Behring Breivik. Gesucht werde ein Mann, der als psychisch instabil und gefährlich gelte und sich mit dem mutmaßlichen Attentäter „identifiziere“, hieß es. Später sagte ein Sprecher, es gebe „keine Verbindung“ zwischen dem Verdächtigen und den Anschlägen. Der Mann habe nur aufgrund der Medienberichterstattung von Behring Breivik gesprochen.

Auf einem von dem mutmaßlichen Attentäter angemieteten Bauernhof entdeckte die Polizei unterdessen weiteren Sprengstoff. Er wurde vor Ort „in einer kontrollierten Explosion“ entschärft, wie eine Sprecherin sagte. Über den Umfang und die Art des Funds machte sie keine Angaben. Der 32-Jährige hatte den Hof als Vorwand und Versteck für den Bau von Bomben angemietet.

Antiterror-Experten aus der EU und Norwegen beraten am Donnerstag in Brüssel über Konsequenzen aus den Anschlägen. EU-Diplomaten erwarten, dass ein Vorschlag der EU-Kommission zur besseren Kontrolle des Handels mit Chemikalien, die zum Bombenbau genutzt werden können, nun beschleunigt behandelt wird. Behring Breivik hatte auch Chemikalien in Polen bestellt. Die Staatsanwaltschaft in Breslau hat nach eigenen Angaben Ermittlungen aufgenommen.

Unterdessen wurde neue Kritik am Vorgehen der norwegischen Polizei auf der Insel Utöya laut. Der Vater von zwei jugendlichen Teilnehmern des dortigen Jugendlagers sagte der Zeitung „Fremover“, er sei von der Polizei abgewimmelt worden, als er sie über einen berunruhigenden Anruf seiner Tochter informiert habe. Die Beamtin habe ihm „absolut nicht geglaubt“ und gesagt, dass sein Kind selbst anrufen solle. (afp/dapd)