Berlin/ Mainz. . Nach der TV-Berichterstattung zum Massaker von Oslo sind Fernseh-Experten in die Kritik geraten. So hatte beispielsweise der ZDF-Experte Elmar Theveßen über einen islamistischen Hintergrund des Anschlags gemutmaßt.

Elmar Theveßen steht unter Beschuss. Am Montag hat „Bild“ den Terrorismus-Experten des ZDF, der zugleich der stellvertretende Chefredakteur des Mainzer Senders ist, zum „Verlierer des Tages“ gekürt. Der 44-Jährige habe am Freitagabend „frisch und frei über einen islamistischen Hintergrund des Oslo-Massakers“ spekuliert. Am Samstag aber „wusste er dann bestens über den rechtsradikalen Hintergrund der Tat Bescheid“. Das „Bild“-Urteil: „Möchtegern-Experte!“

Theveßen wehrt sich gegen diese Kritik. „Zuschauer wollten schon immer nicht nur das Was, sondern auch das Wie und das Warum erfahren“, sagte er am Montag der Nachrichtenagentur dapd in Mainz auf die Frage, wie groß der Druck sei, nach einem Anschlag gleich auf Sendung gehen und mit einer Einordnung aufwarten zu müssen. In diesem Fall hätten ihm Ermittler in Norwegen „die Arbeitshypothese“ mit auf den Weg gegeben“, es könnten Islamisten gewesen sein.

Zwischen Fakten und Einschätzungen

Theveßen betonte, er habe das auch stets entsprechend kenntlich gemacht. „Fakten waren bei uns immer Fakten und Einschätzungen bei uns immer Einschätzungen“, sagte der Journalist. „Es scheint nur so zu sein, dass im Fernsehen alles als Fakt rüberkommt und deshalb immer dann, wenn man auch nur das Wort Al-Kaida in den Mund nimmt, das gleich wie eine Festlegung wirkt.“ Dass sich die ursprüngliche Annahme nicht bestätigt habe, ärgere ihn selbst „natürlich sehr, weil ich schließlich das Gesicht war, das diesen Eindruck vermittelt hat“.

Medienkritiker Lutz Hachmeister sprach Theveßen und dessen Kollegen am Montag gänzlich die Glaubwürdigkeit ab. „Ich wäre als Zuschauer bei jedem skeptisch, der als Experte im Fernsehen auftritt. Die sind doch nur Lückenfüller, wenn Beiträge mit Substanz fehlen“, sagte der Direktor des Instituts für Medienpolitik, in Berlin im dapd-Interview.

„In der kurzen Reaktionszeit, in der vor allem Terrorismus-Experten auf den Schirm gehen, kann niemand eine vernünftige Einschätzung abgeben“, sagte Hachmeister. Er sprach von einer „Pseudo-Gewissheit“. Damit werde das Publikum eigentlich belogen.

„Wir werden uns künftig mehr Zeit nehmen“

ZDF-Experte Theveßen wiederum wollte auch künftig bei seiner Praxis bleiben, kündigte aber mehr Denkarbeit an. „In 99 von 100 Fällen war das bisher der richtige Weg“, sagte der Journalist. „Jetzt lagen wir ein Mal falsch. Deshalb werden wir unser Konzept nicht über Bord werfen.“ Sein Sender müsse sich „nicht grundsätzlich das Wie und Warum verkneifen, bis Tage später jemand auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse präsentiert“. Die Zuschauer verlangten Einordnungen.

Auf die Frage, ob es eine Lehre aus dem „Fall Oslo“ gebe, sagte Theveßen: „Wir werden uns künftig mehr Zeit nehmen, um eine Position zu diskutieren, die wir aufgrund von Recherchen und Erfahrungen über den Sender geben wollen.“ Er räumte zudem ein, seine Redaktion hätte sich am Freitag nach dem Attentat in Oslo „jedenfalls mehr Zeit gönnen sollen, um über die ersten Vermutungen zu diskutieren“. (dapd)