San Jose. .
Nach mehr als zwei Monaten unter Tage ist am Mittwoch mehr als die Hälfte der 33 verschütteten Bergleute gerettet worden. Die Bergung mit einer Spezialkapsel könnte schneller abgeschlossen werden als erwartet.
Die Rettung der 33 Bergleute in Chile könnte nach Regierungsangaben deutlich früher als ursprünglich angenommen abgeschlossen sein. Er rechne mit einer Rettung noch am Mittwoch (Ortszeit), sagte der chilenische Bergbauminister Laurence Golborne um 14 Uhr Ortszeit (19 Uhr MESZ) an der Mine San José im Norden Chiles. „Wir sind sehr schnell vorangekommen, schneller als gedacht.“
Zuvor war Golborne davon ausgegangen, dass die Rettung aller Kumpel 36 bis 48 Stunden und damit bis Freitag dauern könnte. Es war damit gerechnet worden, dass die Auffahrt jedes Einzelnen in einer Rettungskapsel rund eine Stunde dauern würde. Dies ging jedoch deutlich schneller. 17 der 33 Bergleute waren schon um 14.20 Uhr Ortszeit in Freiheit und damit gut 14 Stunden, nachdem der erste der verschütteten Kumpel das Tageslicht erblickt hatte.
Auf die Knie gefallen und zu Gott gebetet
Rettung der Bergleute
Als erster war der 31-jährige Vorarbeiter Florencio Ávalos in die Rettungskapsel gestiegen, die ihn durch einen in den vergangenen Wochen gebohrten Schacht aus mehr als 600 Metern Tiefe an die Erdoberfläche in die Kühle der Nacht in der Atacama-Wüste beförderte. Wie die folgenden Kumpel auch fiel Ávalos erleichtert seinen Angehörigen in die Arme.
Rund 800 Verwandte und Freunde beklatschten und bejubelten jeden einzelnen der Grubenarbeiter, die in den folgenden Stunden aus der Rettungskapsel stiegen. Nach Wochen des Bangens um das Leben der Männer brachen sie vor Erleichterung in Tränen und Jubelschreie aus. Auch der bei der Rettung anwesende chilenische Staatschef Sebastian Piñera war sichtbar glücklich über die problemlos gestartete Rettungsaktion und bezeichnete sie als „einmalig in der Geschichte der Menschheit“. Noch nie haben Menschen so lange unter Tage überlebt.
„Chi! Chi! Chi! Le! Le! Le!“
Als neunter Mann wurde Bergmann Mario Gómez wohlbehalten geborgen: Wie seine Vorgänger wurde er mit lauten Jubelrufen „Chi! Chi! Chi! Le! Le! Le!“ empfangen.Er arbeitete bereits seit dem 12. Lebensjahr im Bergbau. Gómez fiel nach seiner Rettung vor Dankbarkeit auf die Knie und dankte Gott für seine Rettung. Danach umarmte er seine Frau. Wegen seiner Staublunge war er schon vor dem Unglück Anfang August in ärztlicher Behandlung.
Nach kurzer Begrüßung und Umarmungen wurden die geretteten Männer auf einer Trage zur medizinischen Untersuchung ins Feldlazarett abtransportiert. Ihre Augen waren mit Sonnenbrillen geschützt. Die vor Gómez geretteten Kumpel erfreuten sich laut Gesundheitsminister Jaime Manalich bester Gesundheit. Keiner der Bergleute habe medikamentös behandelt werden müssen, nicht einmal der Diabetiker unter ihnen.
Vor Gomez war der jüngste Kumpel, der 19-jährige Jimmy Sánchez, nach oben geholt worden. Der Vater eines vier Monate alten Mädchens hielt beim Ausstieg aus der Rettungskapsel „Phoenix“ die blaue Fahne seines Lieblingsfußballvereins Universidad de Chile in der Hand. Gott habe wohl gewollt, dass er noch am Leben bleibe, sagte er bewegt. Vielleicht, damit er sich ändere. Und genau das wolle er tun. Er habe viel nachgedacht und danke Gott für seine Tochter.
Mario Sepúlveda schreit Freude über seine Rückkehr heraus
Bei der Rettungsaktion für die in Chile verschütteten Bergleute schloss der als Zweites gerettete Grubenarbeiter - der 39-jährige Mario Sepúlveda - nach seiner Rettung in der Nacht zu Mittwoch (Ortszeit) zunächst seine Frau Katty Valdivia in die Arme. Danach sorgte der Elektriker für Heiterkeit, als er Gesteinsbrocken an die Einsatzkräfte und Staatschef Sebastian Piñera verteilte, die er in der engen Rettungskapsel an die Erdoberfläche transportiert hatte. „Es lebe Chile, Scheiße!“, schrie Sepúlveda seine Freude heraus. Dann hüpfte er strahlend an den Rettungskräften vorbei und schüttelte ihnen die Hände.
Sepúlveda war der Öffentlichkeit durch viele Videos bekannt geworden, in denen er über das Leben der verschütteten Kumpel berichtet hatte. Nach seiner Rettung ließ er sich ein Bad in der Menge nicht nehmen, auch wenn er zum Schutz vor der ungewohnten Helligkeit an der Erdoberfläche eine Spezialbrille tragen musste. Vor Sepúlveda war der 31-jährige Florencio Avalos als erster der 33 Grubenarbeiter gerettet worden. Anschließend ließ sich zunächst der Rettungshelfer Roberto Ríos zu den verschütteten Grubenarbeiter hinab, bevor Sepúlveda an die Reihe kam. Die derzeit zwei Rettungshelfer unter Tage sollen die eingeschlossenen Grubenarbeiter auf ihre Fahrt in die Freiheit vorbereiten.
Spitzenwäsche und Nagellack für verschüttete Bergleute
Die Frauen und Freundinnen der in Chile eingeschlossenen 33 Bergleute haben sich in Erwartung der Rettung ihrer Männer besonders hübsch gemacht. Mit Spitzenwäsche, neuer Frisur und Nagellack warteten sie in der Nacht zu Mittwoch an der Mine San José auf die Rückkehr der knapp zehn Wochen lang Verschütteten. Cristina Nunez etwa, die 26-jährige Freundin von Grubenarbeiter Claudio Yanez, ließ sich die Haare schneiden und färben und zog sich ein Unterhemd aus roter Spitze an. Die junge Mutter zweier Kinder möchte als Erstes ein Datum beim Standesamt reservieren, um ihren Claudio endlich zu heiraten.
Ob 25 Jahre oder doppelt so alt, jede der Frauen will für den ersten Moment mit ihrem Partner gewappnet sein - und für die Zeit, die dann folgt: „Er liebt Strapse und Korsagen“, verrät Brunela Oliva leicht verschämt, die seit zehn Jahren mit Renan Avalos zusammen ist. Wilson, ein Verwandter, fängt an zu grinsen: „Ich muss mal schauen, ob ich mich nicht auch ein bisschen unter der Erde begraben lasse, damit mich meine Frau in Strapsen empfängt.“ Die Umstehenden brechen in lautes Gelächter aus - obwohl noch nicht alle Kumpel oben sind, scheint die Zeit des Bangens endgültig vorbei.
Zunächst „die geistig Fittesten“
Bei der Rettungsaktion gilt der Grundsatz, zunächst „die geistig Fittesten“ an die Erdoberfläche zu holen, die auf eventuell auftretende Probleme in der Kapsel reagieren können. Danach sollen die Schwächsten und am Ende die körperlich Stärksten folgen.
Noch nie haben Menschen so lange unter Tage überlebt, wie die als „Die 33“ berühmt gewordenen Bergleute in Chile. Bei der mit Spannung erwarteten Rettungsaktion machte der 31-jährige Grubenarbeiter Florencio Avalos den Anfang. Er bestieg die vier Meter lange Rettungskapsel „Phönix 2“. Unter Tage ließ er auch seinen 29-jährigen Bruder Renan zurück. Als er nach fast zehn Wochen in dem Bergwerk an die Erdoberfläche zurückzukehrte, jubelten hunderte Angehörige der 33 Bergleute und brachen vor Erleichterung in Tränen aus. „Das ist ein großes Glück, ich bin sehr glücklich“, sagte Avalos“ Vater Alfonso. Ein Onkel des geretteten Bergarbeiters sprach von einem „Wunder“.
Empfang durch den Präsidenten
Auch Chiles Staatschef Sebastian Piñera ließ es sich nicht nehmen, bei der Rettungsaktion dabei zu sein. „Unser erster Bergarbeiter ist bei uns“, verkündete er sichtlich glücklich.
Nach mehreren Leerfahrten zum Testen der Kapsel war zunächst eine Einsatzkraft zu den Kumpeln hinabgefahren. Manuel González hatte sich vor Fahrtantritt einen Spezialanzug angezogen und eine Sauerstoffmaske übergestreift. Von den Grubenarbeitern wurde er mit Applaus empfangen. Danach scharten sie sich um ihn, um seinen Anweisungen für die Rettungsaktion zuzuhören.
Die Reihenfolge, in der Grubenarbeiter aus dem eingestürzten Bergwerk gebracht werden, war zuvor von der Einsatzleitung festgelegt worden. Dabei galt der Grundsatz, zunächst „die geistig Fittesten“ an die Erdoberfläche zu holen, die auf eventuell auftretende Probleme in der Kapsel reagieren können. Danach sollen die Schwächsten und am Ende die körperlich Stärksten folgen. Nach Avalos sollten der 39-jährige Mario Sepúlveda, der 52-jährige Juan Illanes und der 23-jährige Carlos Mamani, der einzige Bolivianer in den Reihen der verschütteten Bergarbeiter, in die Kapsel steigen.
Kapsel leicht beschädigt
Pro Kumpel sollte die Rettung etwa eine Stunde dauern. Da Avalos aber deutlich schneller an die Erdoberfläche gebracht wurde, keimten Hoffnungen auf, dass die Rettungsaktion schneller zu einem guten Ende gebracht werden kann als zunächst angenommen. Nach ihrer Rettung dürfen die Bergarbeiter zunächst jeweils bis zu drei Angehörige in ihre Arme schließen. Sie werden von Ärzten vor Ort untersucht und dann für einen ausführlichen Gesundheitscheck ins Krankenhaus geflogen.
Der Rettungsaktion war ein nervenaufreibendes Hoffen und Bangen vorausgegangen. Der Einsatz wurde wegen zusätzlich notwendiger Installationen und Tests zunächst um zwei Stunden verschoben. Bei der ersten unbemannten Testfahrt wurde die vier Meter lange Kapsel zudem leicht beschädigt.
Die kleine Gold- und Kupfermine San José am Rande von Copiapo in der Atacama-Wüste war Anfang August eingestürzt. Nachdem von den 33 verschütteten Bergleuten zunächst jedes Lebenszeichen fehlte und die Regierung die Hoffnung schon fast aufgab, wurden sie nach gut zwei Wochen lebend geortet. Seitdem wurde mit mehreren Bohrern an einem Rettungsschacht für sie gearbeitet.
Das Schicksal der Bergleute sorgt weltweit für Aufsehen und Anteilnahme. Außer den rund 800 Angehörigen der Bergleute versammelten sich rund 2000 Journalisten an der Mine, um über das „Wunder von San José“ zu berichten. (afp/ap)