Gerettete Bergleute in Chile wollen zusammenhalten
•
Lesezeit: 3 Minuten
San José/Berlin.
Rettung der Bergleute
1/68
Die chilenische Regierung will den geretteten Bergleuten mit professioneller Hilfe zur Seite stehen. Experten warnen vor psychischen Problemen wie Depresionen oder Klaustrophobie nach der Bergung.
Nichts ersehnen sie mehr als die Rückkehr in die Normalität. „Bitte behandelt uns nicht wie Künstler, behandelt mich wie einen Bergarbeiter“, sagte Mario Sepúlveda am Mittwoch, als er nach 68 Tagen in 700 Meter Tiefe wieder an die Erdoberfläche gelangt war. Der 39-Jährige war der zweite Kumpel, der durch die spektakuläre Bergungsaktion in der nordchilenischen Wüste gerettet wurde. Doch nach Angaben von Psychologen stehen den 33 Bergleuten bei der Rückkehr in den Alltag noch schwierige Anpassungsprozesse bevor. Ihr Leben von früher sei „bereits vorbei“, sagt Enrique Chía, Psychologe an der Katholischen Universität von Chile.
Nach ihrer Bergung werden die Arbeiter zunächst zwei Tage im Krankenhaus untersucht. Sehschwierigkeiten beim Kontakt mit Tageslicht, Hautprobleme und Zahnschmerzen wurden bereits als mögliche Probleme erkannt. Die chilenische Regierung hat versichert, dass sie die Männer, die zu Volkshelden geworden sind, nicht im Stich lassen werde. Neben der medizinischen Betreuung sollen ihnen auch mindestens sechs Monate lang professionelle Psychologen zur Seite stehen, wie Gesundheitsminister Jaime Manalich ankündigte. Während dieser Zeit könnten die Kumpel „Phasen der Traurigkeit und Depression durchleiden“.
„Der eine macht sein Testament, der andere ist unerschütterlich“
„Die Männer in Chile werden viele Monate lang Hilfe brauchen“, sagt auch der deutsche Traumaexperte Georg Pieper. Er war 1988 als erster Psychologe hinzugezogen worden, als sechs Bergleute drei Tage lang in einem Stollen im hessischen Borken verschüttet waren. Er betreute die Männer mehr als fünf Jahre lang und ist noch heute mit ihnen in Kontakt. Die Erfahrung von Todesangst und Trennung von Familie und Freunden werde unterschiedlich verarbeitet, sagt Pieper: „Der eine macht sein Testament, der andere ist unerschütterlich.“ Im Anschluss an eine solche Erfahrung könnten sich Traumafolgestörungen entwickeln, wie Depressionen oder Klaustrophobie. Auch der Druck durch die Medien könne als Belastung erfahren werden.
Nach Einschätzung des chilenischen Psychologen Chía wird der Umgang mit der Außenwelt für die Bergleute am schwierigsten werden: „Die Familie, die Gewohnheiten, die Realität des Landes - alles hat sich geändert.“ Experten der US-Weltraumbehörde NASA, die die chilenischen Rettungstrupps im September beraten hatten, wiesen besonders auf die Auswirkungen der „hohen Bekanntheit im Land, den Druck durch die Medien und die Gesellschaft“ hin. „Einige Bergleute werden mit TV-Angeboten bombardiert werden. Sie können sogar Karriere machen“, sagt René Rios, Soziologe an der Katholischen Universität von Chile. In etwa einem halben Jahr werde der Rummel um die Bergleute aber vorbei sein.
Zusammenhalt soll helfen
Der Psychologe Chía nimmt an, dass die Bergleute begreifen werden, wie begrenzt ihre Berühmtheit sei und dass sie daraus Kapital schlagen sollten, um dann ein neues Lebensprojekt zu beginnen. Letztlich könne eine solche Erfahrung stärken oder schwächen - aber nie bleibe eine Person dieselbe. Der Psychologe sieht daher durchaus die Gefahr, dass einige Kumpel Probleme in ihrer Beziehung bekommen und sich in Medikamente oder Drogen flüchten.
Was den geretteten Bergleuten helfen könnte, ist der in den langen Tagen unter der Erde gewachsene Zusammenhalt in ihrer Gruppe. „Obwohl sie aus verschiedenen Regionen Chiles und aus Bolivien stammen, wollen sie nach ihrer Rettung zusammen bleiben“, berichtete ihr medizinischer Betreuer Alejandro Pino. (afp)
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.