Venice.
Ein riesiger Ölteppich im Golf von Mexiko erreicht die US-Küste. Im Mississippi-Delta mit seiner vielfältigen Tierwelt kündigt sich eine beispiellose Naturkatastrophe an. Naturschützer sind alarmiert. Die Fischer der Region können das Unheil schon riechen.
Zugvögel, Pelikane und Fischotter trifft es als erste. Die Vorboten der Katastrophe sind schon in Sicht: Erste Schlieren der leckenden Ölbohrung im Golf von Mexiko haben die Küste von Louisiana erreicht, das Mississippi-Delta mit seiner vielfältigen Tierwelt. Der zähere Ölteppich ist nur noch fünf Kilometer entfernt.
Es droht die folgenschwerste Umweltkatastrophe in den USA seit Jahrzehnten zu werden, noch schlimmer als das Tankerunglück der „Exxon Valdez“ in Alaska. An der Küste mit ihren reichen Fanggründen, wo es von Garnelen nur so wimmelt und unzähliger Austernbänke liegen, sind hunderte Arten von Fischen und Vögeln und Landtieren in Gefahr. „Das bereitet ernste Sorge“, sagt David Kennedy vom Amt für Meeresschutz. „Ich habe Angst. Das ist eine ganz, ganz große Sache.“
Nach dem US-Bundesstaat Louisiana rief am Freitag das ebenfalls von der Ölpest im Golf von Mexiko betroffene Florida den Notstand aus. Gouverneur Charlie Crist unterzeichnete eine entsprechende Entscheidung. Damit kann der Bundesstaat nun Notmittel einsetzen und Unterstützung aus Washington anfordern, um gegen die Folgen des Bohrinsel-Unglücks in der vergangenen Woche anzukämpfen.
Verklebtes Gefieder und Blutungen befürchtet
Öl verklebt nicht nur das Gefieder der Seevögel. Längerer Hautkontakt kann auch Verätzungen verursachen, wie Experten warnen. Schlucken die Tiere beim Fressen das Öl, dann drohen Blutungen, Anämie und andere Gesundheitsschäden. Vor Breton Island, wo unter anderem Pelikane, Möven und Scherenschnäbel nisten, und anderen Brutgebieten wurden schwimmende Schutzbarrieren ausgelegt, um die Brühe abzuhalten.
Aus dem Leck der gesunkenen Bohrinsel sprudeln jeden Tag 5.000 Barrel Rohöl ins Meer, das sind an die 800.000 Liter. In den drei Monaten, die es dauern könnte, eine Entlastungsbohrung anzubringen und das Leck abzudichten, wären die 41 Millionen Liter übertroffen, die 1989 aus der „Exxon Valdez“ ausliefen. Und es könnte noch viel schlimmer werden, weil das Ölvorkommen im Golf weit umfangreicher ist als der Inhalt eines Tankers. Der britische Ölkonzern BP übernahm am Freitag die „volle Verantwortung“ für die Ölpest.
Unterdessen bestätigte der US-Konzern Halliburton, einen Tag vor der Explosion auf der Bohrinsel im Golf von Mexiko an den Bohrleitungen gearbeitet zu haben. Rund 20 Stunden vor dem Zwischenfall seien die Betonierarbeiten an den letzten Unterwasser-Leitungen beendet worden, erklärte das als Zulieferer an dem Bohrvorhaben beteiligte Unternehmen.
Fischer machen sich große Sorgen
Die Naturschutzbehörden konzentrieren sich zunächst auf die Schutzgebiete auf einer Reihe vorgelagerter Inseln. In den am stärksten gefährdeten Revieren leben 34.000 Vögel: Möwen und Pelikane, Rosalöffler, Watvögel, Seeschwalben, Silberreiher und Graureiher. Auch Nerze und Fischotter sind im Mississippi-Delta zuhause. Sie könnten verölte Kadaver fressen, sorgt sich Robert Love von der Forst- und Fischereiaufsicht des Bundesstaates Louisiana.
Die Garnelenfischer bekamen außerhalb der Saison eine Sondererlaubnis, ihren Fang einzubringen, bevor das Öl alles verdirbt. Auch Frank und Mitch Jurisich, deren Familie seit drei Generationen von der Austernzucht lebt, ernten so viel sie können. Sie können das Unheil schon riechen, das vor den Marschen auf dem Wasser naht.
Über 100 Säcke stopfen die Brüder am Donnerstag voll mit Austern, um sie schnell noch zu verkaufen. Und sie lassen sich auch selbst welche schmecken. „Das ist vielleicht unser letzter Tag“, sagt Mitch. Ohne die Fischerei wäre die Familie verloren, sagt sein Bruder. „Das ist unser Leben, das ist unser Beruf.“ (apn/afp)