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Die Gefahr lauert in der Tiefe: Nach der Explosion einer TransOcean-Plattform im Golf von Mexiko strömen täglich 190 000 Liter Rohöl in 1500 Metern Tiefe ins Meer. An der Oberfläche hat sich bereits ein Ölteppich gebildet, der doppelt so groß wie das Saarland ist. Welche Auswirkungen die Katastrophe für das filigrane Ökosystem Tiefsee, für Fische, Seevögel, Wale und die US-Küsten von Texas über Louisanna bis Florida haben wird, weiß heut noch niemand. Klar ist hingegen: Die Ölförderung aus dem Meer bleibt trotz modernster Technik ein Risiko.

Der Unfall weckt Erinnerungen: 1979 sank nach einer Explosion die Plattform „Sedco-135f” in die Tiefen des Golfs. Erst nach neun Monaten konnte das Bohrloch „Xtoc 1” abgedichtet werden, 3,5 Millionen Barrel Rohöl strömten ins Meer. „In der Gegend stellen wir immer wieder Unregelmäßigkeiten fest”, sagt Uwe Jenisch, Honorarprofessor für internationales Seerecht an der Uni Kiel. 41 Tote, 302 Verletzte bei 1443 Zwischenfällen auf Ölplattformen will die „Huffington Post“ von 2001 bis 2007 gezählt haben. Erst im letzten Jahr, so berichtet die amerikanische Online-Zeitung, habe die US-Aufsichtsbehörde Minerals Management Service (MMS) neue Sicherheitsstandards angemahnt. „BP und TransOcean hat dem aggressiv widersprochen”, schreibt Marcus Baram. Im Auftrag von BP hat der weltweit größte Spezialist für Ölbohrungen Transocean „für 500 000 Dollar am Tag”, so Baram, das unterseeische Ölfeld erschlossen.

Das Geschäft mit dem Öl aus dem Meer boomt. Doch die Fördergebiete wandern weg von den Küsten, in immer unzugänglichere Gebiete der Tiefsee. Bonanza auf dem Meeresgrund. Erst Ende März hat Shell im Golf von Mexiko die nach eigenen Angaben bisher tiefste Förderstelle er-schlossen: Die Plattform „Perdido” zapft das schwarze Gold aus 2450 Meter Tiefe ab, 320 Kilometer oder 200 Meilen vor der Küste. „Das ist eine internationale Welle”, erläutert Jenisch, „viele Firmen wollen jenseits der 200 Meilen-Zone, in internationalen Gewässern, bohren.” Das sei zwar nicht unbedingt ein rechtsfreier Raum. 1994 wurde das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 160 Staaten unterzeichnet. Allerdings: Die USA, Israel, der Iran und Nordkorea zum Beispiel haben den Vertrag nicht unterzeichnet. Unklar bleibt, wer für Ölverschmutzungsschäden auf dem Meeresboden aufkommt. Im internationalen Geschäft – gerade was Ölplattformen betrifft – sei das Recht unvollkommen. „Vielleicht trägt die Katastrophe in Mexiko ja dazu bei, dass die Haftung verschärft wird”, hofft Jenisch.

Für Meeresbiologe Christian Busser von Greenpeace geht die Suche nach ÖL und Gas aus der Tiefsee gänzlich an der Realität vorbei. „Unter dem Aspekt Klimaschutz müssen wir weg von fossilen Brennstoffen“, fordert er. Der Unfall mache deutlich, wie schwierig es ist, die Tiefsee auszubeuten. Bei steigenden Rohstoffpreisen werden unterseeische Rohstoffvorkommen hingegen immer begehrter. „1994 wurde bereits die internationale Meeresbodenbehörde mit Sitz in Jamaika gegründet, die Regeln für die Rohstoffgewinnung erarbeitet und Lizenzen vergibt”, sagt Michael Wiedicke-Hombach vom Geozentrum Hannover. Vor Papua-Neuguinea sei ein neuer Goldrausch ausgebrochen. Dort stehe die Suche nach Massivsulfiden, Schwefelverbindungen, die jede Menge Metall enthalten, aber auch Silber und wie in Asien sogar Gold, vor dem Durchbruch. Erzhaltige Schlämme, metallhaltige Manganknollen, kobaltreiche Krusten: Die Tiefsee hat noch einiges zu bieten, das der Mensch ausbeuten kann. Aber zu welchem Preis? Das weiß heute noch keiner so genau.