München. Zwei Drittel der Jugendlichen haben Erfahrung mit Pornografie. Das stellt die neue Studie fest. Gleichzeitig gibt es große Wissenslücken beim Thema Verhütung: Ein Fünftel denkt beispielsweise, "Aufpassen" sei eine geeignete Methode, um Schwangerschaften zu vermeiden.
Leicht ist es nicht, Jungen und Mädchen dazu zu bringen, ihre intimsten Gedanken preiszugeben. «Ein Elf- oder Zwölfjähriger sagt bestimmt nicht, hurra, ich rede jetzt über Sex», sagte Ingo Barlovic vom Meinungsforschungsinstitut iconkids & youth am Dienstag in München. Zum zweiten Mal nach 2006 befragte sein Institut für die Jugendzeitschrift «Bravo» Jungen und Mädchen zum Thema Liebe, Körper und Sexualität. Damit die Atmosphäre möglichst vertraut und ungezwungen war, antworteten die mehr als 1200 Teilnehmer zwischen 11 und 17 Jahren jungen Interviewern des gleichen Geschlechts daheim und ohne Eltern. Wenn es bei den Themen besonders heikel wurde, gab es Fragebögen.
Zwei Drittel haben Erfahrung mit Pornografie
Etwa beim Thema Pornografie: Zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland haben schon Erfahrungen mit pornografischen Bildern oder Filmen gemacht. In der Öffentlichkeit sei über dieses Thema zuletzt stark diskutiert worden, «wir wollten wissen, wie sieht es wirklich aus», sagte Marthe Kniep, Leiterin des «Dr.-Sommer-Teams» der «Bravo». Das Ergebnis: Bei den 11- bis 13-Jährigen sahen sich 42 Prozent bereits pornografische Produkte an, bei den 14- bis 17-Jährigen sind es 79 Prozent. Auch in der Schule kursieren die Bilder.
Nur ein sehr kleiner Teil der Heranwachsenden nutze derartige Inhalte aber regelmäßig, hob Kniep hervor. Bei den Jungen sind es 8 Prozent, während 35 Prozent angaben, «hin und wieder» so etwas anzuschauen. Bei den Mädchen ist es 1 Prozent. «Aus unserer Sicht kann deshalb von einer 'Generation Porno' keine Rede sein.» Dennoch sehe sie das Ergebnis kritisch, sagte Kniep. Unklar sei nämlich, was die Bilder bei den Jungen und Mädchen für Gefühle auslösten, die sie in einer «Phase der Neugierde» anschauten, sich dann aber niemandem anvertrauten.
Große Sehnsucht nach Romantik
Erneut belegte die Untersuchung eine große Sehnsucht der Heranwachsenden nach Romantik und Liebe. Die Mädchen und Jungen verlieben sich dabei ein Jahr früher als noch vor drei Jahren. So gab diesmal die Mehrheit der 13- bis 15-Jährigen an, bereits einen festen Freund oder eine Freundin gehabt zu haben, 2006 galt dies noch am häufigsten für die 14- bis 16-Jährigen. Kniep führte als möglichen Grund die aktuelle wirtschaftlich unsichere Lage an, die viele Familien treffe. In solchen Zeiten nehme erfahrungsgemäß die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen zu.
Die Studie räumt nach den Worten von Kniep weiter mit dem Klischee auf, dass die Jugendlichen immer früher Sex hätten. Nach wie vor erlebten die meisten Mädchen und Jungen «das erste Mal» im Alter zwischen 16 und 17 Jahren. Über die Hälfte der 16-Jährigen und ein Drittel der 17-Jährigen hatten noch keine sexuellen Erfahrungen.
Wenig Wissen über Verhütung
Beim Kenntnisstand über die möglichen Verhütungsmethoden weisen die Heranwachsenden große Wissenslücken auf. Ein Viertel denkt, die «Pille danach» sei ein normales Verhütungsmittel, jeder Fünfte hält Aufpassen für eine geeignete Methode. Gleichzeitig verdoppelte sich im Vergleich zu 2006 die Zahl derer, die manchmal komplett auf Verhütung verzichten - von damals 14 auf jetzt 28 Prozent. »Das ist ein Trend, der in die falsche Richtung geht«, sagte Kniep.
«Bauchschmerzen» bereitete den Autoren der Studie auch die «drastisch» gesunkene Zufriedenheit der Mädchen mit ihrem Körper. Waren 2006 noch zwei Drittel der Mädchen mit ihrem Aussehen zufrieden, sind es jetzt nur noch 56 Prozent. Jedes vierte Mädchen würde sogar zu einer Schönheits-OP Ja sagen. Kniep appellierte an die Eltern, nicht leichtfertig mit Kritik am Aussehen der Kinder umzugehen. »Das kränkt ernsthaft.«
Auch beim Thema Alkohol zeigte die Studie bedenkliche Ergebnisse: Mit 15 Jahren war jeder zweite deutsche Jugendliche schon einmal betrunken. Ein Viertel der 11- bis 17-Jährigen hatte dabei sogar schon einen Filmriss. »Die Eltern sollten aufmerksam sein, was vor einer Party in den Rucksack gepackt wird", mahnte Kniep. Auch die Art, wie im Familienkreis Alkoholkonsum vorgelebt werde, sei sehr wichtig. (ddp)