Hamburg. Rund 38.000 Neuntklässler in Deutschland sind computerspielsüchtig oder zumindest stark suchtgefährdet. Das geht aus der bislang größten deutschen Jugendstudie zur Nutzung von Computerspielen hervor. 15-jährige Jungen sitzen derzeit siebeneinhalb Stunden täglich vor den Flimmerkisten.

Rund 38.000 Neuntklässler in Deutschland sind computerspielsüchtig oder zumindest stark suchtgefährdet. Das geht aus der bislang größten deutschen Jugendstudie zur Nutzung von Computerspielen hervor. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hatte dazu bundesweit 44.610 Jugendliche im Alter von 15 Jahren befragt.

Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler sind hochgerechnet rund 14.300 Jugendliche dieses Alters in Deutschland computerspielsüchtig. Bei den Jungen entspreche dies einem Anteil von drei Prozent ihres Jahrgangs, bei den Mädchen rund 0,3 Prozent. Weitere 23.600 gelten demnach als stark suchtgefährdet. «Wir haben es hier mit echten Suchtexistenzen zu tun und allen Symptomen des Verfalls, sagte KFN-Leiter Christian Pfeiffer dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».

Bei der Studie zeigte sich dem Bericht zufolge, dass Jugendliche heute deutlich länger am Computer spielen als noch im Jahr 2005. Hatten Jungen damals an Schultagen noch im Schnitt 91 Minuten lang solche Spiele genutzt, waren es bei der aktuellen Befragung 130 Minuten. An Wochenendtagen steige die Zahl von 140 auf 167 Minuten.

Zwar liegen die Spielzeiten bei Mädchen nach Erkenntnissen der Forscher deutlich niedriger. Aber auch hier sei es fast zu einer Verdreifachung an den Schultagen und zu einer Verdoppelung an den Wochenenden gekommen. Fast jeder sechste Junge spiele am Tag sogar länger als viereinhalb Stunden.

Mehr als sechs Stunden täglich vor dem Bildschirm

Alle «Flimmerkisten» zusammengenommen, also Computer, Fernseher und Spielekonsolen, sitzen 15-jährige Jungen derzeit siebeneinhalb Stunden vor dem Bildschirm, Mädchen mehr als sechs Stunden. Dieser Konsum werde von den Eltern geduldet, häufig sogar gesponsert: 70 Prozent der Neuntklässler hätten einen Fernseher im Zimmer, ebensoviele einen eigenen Computer.

Nach Angaben des Forschungsinstituts führt selbst exzessives Spielen allein noch nicht automatisch zu einer suchtartigen Abhängigkeit. Gefährdet seien, wie auch bei anderen Drogen, vor allem Jugendliche, die mit dem echten Leben nicht klarkommen, mit der Schule, mit Freunden. Jedoch seien Online-Rollenspiele ein risikoverstärkender Faktor. Dies gelte besonders für «World of Warcraft» (WoW), das mit 11,5 Millionen Nutzern weltweit das meistverkaufte Spiel in diesem Genre sei.

Suchtartiges Verhalten bei jedem zwölften «WoW»-Nutzer

«World of Warcraft»-Nutzer unter den befragten 15-jährigen Jungen spielten im Schnitt 3,9 Stunden am Tag, stellten die Experten laut «Spiegel» fest. Der Anteil der Schüler, die dabei ein suchtartiges Verhalten mit Kontrollverlust und Entzugserscheinungen zeigten, liege demnach bei 8,5 Prozent der Nutzer. KFN-Leiter Pfeiffer forderte daher, die Alterseinstufung für das Spiel von 12 auf 18 Jahre heraufzusetzen. «Es ist doch unverantwortlich, dass ein Neunklässler, der ,WoW' spielt, im Durchschnitt mehr Zeit in der Spielwelt verbringt als in der Schule», erklärte der Forscher. (ap)

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