Berlin. BKA und andere Sicherheitsbehörden haben die Spionageabwehr verwendet, um an verschlüsselte Kommunikation von Verdächtigen zu kommen. Nun attackieren Unionspolitiker die FDP-Ministerin. Die lasse die Ermittler “im Regen stehen“.

Die Behörden von Bund und Ländern haben in den vergangenen drei Jahren in gut hundert Fällen Spionagesoftware eingesetzt. Alle Sicherheitsbehörden zusammen hätten seit 2009 etwa 35 Mal pro Jahr Trojaner genutzt, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), der "Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigte die umstrittene Überwachung von Computern.

Der Einsatz der Trojaner sei erfolgt, "um verschlüsselte Kommunikation am Computer abzugreifen", sagte Uhl. Allein Bayern habe seit 2009 bei Verdacht auf schwere Kriminalität 25 Mal Trojaner eingesetzt. Dabei seien vereinzelt auch Screenshots, also Aufnahmen des Bildschirms, an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet worden.

Ermittlungen gegen militante Islamisten

Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet in seiner neuen Ausgabe von mindestens 50 Trojaner-Einsätzen, die es in den vergangenen Jahren bei den Sicherheitsbehörden gegeben haben. Danach habe das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2010 in sieben Fällen Trojaner für eine Online-Durchsuchung genutzt, die sich gegen militante Islamisten richtete. In weiteren 20 Fällen habe das BKA die Spähsoftware für eine sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) verwendet, um Gespräche, Mails oder Chats zu kontrollieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nutzte Trojaner laut Bericht in vier Fällen, die Bundespolizei in einem und das Zollkriminalamt in 16 Fällen.

Uhl kritisierte eine "unverantwortliche Hysterisierung" der derzeitigen Debatte über die sogenannten Staatstrojaner. Der Unionspolitiker warf Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor, Polizei und Staatsanwälte seit Jahren im Regen stehen zu lassen. "Wir haben die Ministerin immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ermittler beim Einsatz von Spionagesoftware in Strafverfahren in einer gesetzlichen Grauzone arbeiten." Geschehen sei aber "absolut nichts". Die Ministerin hatte vor Missbrauch der durch Trojaner gewonnenen Daten durch Dritte gewarnt.

Der Innenminister sieht keine rechtliche Grauzone

Am Mittwoch hatte die Bundesregierung den Einsatz von Spionagesoftware bei den Zollbehörden in 16 Fällen eingeräumt. Einen Tag zuvor hatte Innenminister Friedrich die Bundesländer bereits aufgefordert, die zuvor vom Chaos Computer Club (CCC) enttarnte Spionagesoftware nicht mehr einzusetzen. Zunächst müsse geklärt werden, ob das Programm mehr könne, als gesetzlich zulässig sei. Unter anderem hatte Bayern eingeräumt, die umstrittene Software verwendet zu haben. Friedrich betonte, er sehe bei der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung "keine rechtliche Grauzone".

Leutheusser-Schnarrenberger griff am Wochenende den Koalitionspartner für seine Haltung in der Trojanerfrage an. "Rechtsstaatlich erschreckend ist die Schönrednerei, dass jede Überwachung ohnehin nur die Bösen trifft", sagte die Justizministerin. Sie forderte eine Sonderkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern. Die Innenminister wollen am Donnerstag über die Zukunft des Trojaner-Einsatzes beraten. Zugleich würdigte Leutheusser-Schnarrenberger den Chaos Computer Club. Das seien keine Chaoten, sondern Experten, sagte die FDP-Politikerin. "Selten waren die Einschätzungen der Techniker so wichtig für den Gesetzgeber." (afp)

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