Brüssel. . Mit 14 Jahren wurde er zum ersten Mal verurteilt. Es folgte eine beträchtliche kriminielle Karriere. Die Stadt Bielefeld wollte T. eigentlich abschieben. Doch der zog bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort ist der Tunesier jetzt erneut gescheitert.

Deutschland darf einen wiederholt straffällig gewordenen Tunesier ausweisen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am Donnerstag entschieden. Der mittlerweile 28-jährige Mann aus Bielefeld ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, hatte aber nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Die Ausweisung, und damit die Trennung von seinen Eltern und den drei Schwestern, verletze nicht sein Recht auf Familie und Privatleben, urteilten die Straßburger Richter.

Angesichts seiner beträchtlichen kriminellen Karriere dürfen die Behörden T., der die deutschen Staatsbürgerschaft nie beantragt hat, ausweisen. Das deutsche Aufenthaltsrecht sieht ab einem bestimmten Strafmaß die „zwingende Ausweisung“ ausländischer Staatsangehöriger vor. Außerhalb seiner Familie habe er keine nennenswerten Bindungen in Deutschland entwickelt, so die Straßburger Richter. Zudem habe er nach einer Warnung der Behörden 2002 mit seiner Ausweisung rechnen müssen, falls er erneut straffällig würde. Er habe die Möglichkeit gehabt, eine zeitliche Begrenzung der Ausweisung zu beantragen, das aber nicht getan.

Bewaffneter Raub und schwere Körperverletzung

Auch interessant

Mit 14 Jahren war T. zum ersten Mal für Diebstahl und Drogenhandel verurteilt worden. Nachdem er gravierendere Delikte wie bewaffneter Raub und schwere Körperverletzung begangen hatten, drohten ihm die Behörden mit der Ausweisung. Ohne Erfolg: Mit 19 Jahren wanderte er das erste Mal ins Gefängnis. Die Stadt Bielefeld ordnete seine Ausweisung an, sobald er wieder in Freiheit sei. Nach fast vier Jahren im Gefängnis machte er den Haupt- und Realschulabschluss, begann 2009 ehrenamtliche Arbeit beim Roten Kreuz und will übernächstes Jahr das Abitur machen.

Seitdem die Stadt Bielefeld 2004 die Ausweisung anordnete, stritt T. dagegen vor deutschen Gerichten. Nach eigenen Angaben hat er keinen Kontakt zu Verwandten in Tunesien und spricht nicht die dort gängigen Sprachen Französisch und Arabisch. Er sei als Kind nur zweimal in den Ferien dort gewesen.

Weiterhin Scherereien mit der Justiz

Nachdem er vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert war, rief er den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg an. Die Ausweisung sei dennoch gerechtfertigt, befanden die Richter. Denn auch nach seiner Haft-Entlassung hatte T. weiterhin Scherereien mit der Justiz. Er wurde unter anderem wegen Waffenbesitzes und Drogendelikten verurteilt.

Seine Taten versuchte T. gegenüber den Straßburger Richtern als weniger gravierend darzustellen. Seine erste Gefängnisstrafe sei nur deshalb so hoch ausgefallen, weil hier vorherige Verurteilungen ins Gewicht fielen. Die Waffen, mit denen er bei einigen Delikten hantierte, hätten nicht funktioniert oder seien Schreckschusspistolen gewesen. Er habe seine Opfer niemals in Gefahr bringen wollen. Die bei ihm gefundenen Drogen seien vergleichsweise harmlos und nur für den Eigengebrauch bestimmt gewesen.

Nach dem Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs räumte T.s Anwältin, die Bielefelder Juristin Catrin Hirte-Piel, ein, nun bleibe keine rechtliche Handhabe mehr, um gegen die drohende Abschiebung vorzugehen. Sie hoffte allerdings, die Behörden würden die Lage im Umbruchland Tunesien berücksichtigen: „Die Situation im Heimatland ist ja auch nicht so einfach“, sagte sie dieser Zeitung. Die Stadt ließ am Donnerstag aber wenig Nachsicht erwarten: „Wir versuchen nun, die Ausreise durchzusetzen“, sagte eine Sprecherin in Reaktion auf das Urteil.