Lünen. .
Vier Monate lang konnten sich die in Lünen lebenden Roma sicher fühlen. Vier Monate hob kein Flugzeug mit abgeschobenen Flüchtlingen Richtung Serbien oder das Kosovo ab – das Innenministerium hatte mit dem so genannten „Wintererlass“ die zwangsweise Rückführung ausgesetzt.
Diese Schonfrist ist jetzt vorbei – und rund 50 in Lünen lebende Flüchtlinge gelten dem Gesetz nach als ausreisepflichtig. Abschiebungen werde es vor Mai aber nicht geben, kündigt die Stadt an.
„Auch wenn die Gesetzeslage eindeutig ist, wird die Stadt Lünen unter humanitären Aspekten des Aufenthaltsrechts jeden Einzelfall erneut genau prüfen“, teilte der Erste Beigeordnete der Stadt Lünen, Günter Klencz, gestern auf Anfrage unserer Zeitung mit. Dazu werde zur Zeit ein Prüfkatalog erarbeitet. „Insbesondere bei Familien mit Kindern werden wir genau hinsehen, ob durch eine mögliche Abschiebung das Kindeswohl gefährdet wäre“, so Klencz. Für die Stadt stehe das Kindeswohl an erster Stelle. Günter Klencz: „Wenn Kinder hier bei uns voll integriert sind, z.B. die Schule erfolgreich besuchen, kurz vor dem Schulabschluss stehen oder sogar hier geboren wurden, sind die Chancen für die Familien groß, nicht abgeschoben zu werden.“
„Damit setzt die Stadt den Erlass des Innenministeriums vom letzten Herbst um“, sagt Pfarrer Volker Jeck als Flüchtlingsbeauftragter des evangelischen Kirchenkreises. Er und andere Engagierte beobachteten die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge.
Denn in der Regel bedeute die Abschiebung in ein Land, aus dem sie vor mehr als 20 Jahren geflüchtet sind, eine „persönliche Katastrophe“ so Jeck. Der Erlass des Innenministeriums (siehe Infobox) gebe viele Spielräume her. „Und die muss die Stadt wirklich zugunsten der Betroffenen auslegen“, fordert Jeck. Perspektivlosigkeit, „massive Diskriminierung“, eine Arbeitslosenquote der Roma im Kosovo von 98 Prozent – das erwarte die Flüchtlinge in ihrer „Heimat“, die oft keine mehr sei.
Die Ankündigung der Stadt. insbesondere das Kindeswohl zu beachten, gehe in die richtige Richtung, sagt Armin Böck vom Arbeitskreis Flüchtlinge. Auch er fordert eine großzügige Auslegung der Stadt. „Man dürfe zum Beispiel nicht nur nach den Schulnoten gehen“, so Böck. Er kenne einen jungen Roma bei dem es zum Beispiel mit der Rechtschreibung und Mathe hapert. „Aber er ist Klassensprecher und gibt sich viel Mühe, sich zu integrieren. Das muss auch zählen.“
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Voraussichtlich Mitte Mai werde die Prüfung der ausreisepflichtigen Flüchtlinge abgeschlossen sein, sagt die Stadt. Mit „Massenabschiebungen“ sei nicht zu rechnen, es könne aber in Einzelfällen zu Abschiebungen kommen. Straffällig gewordene Flüchtlinge kämen aufgrund der Bleiberechtsregelungen nicht um eine Abschiebung herum.
Die Verwaltung geht davon aus, dass sich auch der neue Flüchtlingsbeirat, dessen Gründung der Rat der Stadt in seiner nächsten Sitzung am 14. April beschließen soll, sich mit dem Thema beschäftigen werde. „Wir gehen davon aus, dass es vorher keine Abschiebung geben wird“, so Klencz.
Lüner werden also nicht in dem nächsten Flieger sitzen, der nächste Woche ins Kosova fliegt. Frustrierend sei es trotzdem, sagt Pfarrer Jeck. Und Armin Böck ergänzt: „Jetzt beginnt die nächste Galgenfrist.“