Berlin. . Wenn die Kanzlerin die Biografie ihres Vizes höchstpersönlich vorstellt, scheint die Chemie zu stimmen. Merkel und Rösler nutzen den Termin für eine heitere Verschnaufpause. Und beide lieben Udo Jürgens. Doch das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit.

War da was? Die Regierung in der Dauerkrise, die FDP am Abgrund, der Euro in Gefahr und die Koalition kurz vor ihrer wichtigsten Bewährungsprobe. Doch Kanzlerin und Vizekanzler haben gerade ein anderes Thema: Udo Jürgens. „Bist Du auch Fan?“, fragt der bekennende Jürgens-Hörer Philipp Rösler (FDP). „Ja“, gibt Angela Merkel (CDU) zurück. Begeistert weist Rösler darauf hin, dass der nicht mehr ganz junge Schlagerstar im Februar in Berlin ein Konzert gibt. Womöglich also gehen Merkel und Rösler nächstes Jahr zusammen in die O2-Arena.

Die Chemie scheint zu stimmen zwischen den beiden - das macht die Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Berlin am Dienstagmittag deutlich. Vor wenigen Tagen noch aß hier der Papst zu Mittag, jetzt drängen sich die Hauptstadtjournalisten. Dass Merkel sich die Zeit genommen hat, das Buch über Rösler - geschrieben vom Journalisten Michael Bröcker - vorzustellen, ist ein deutliches Zeichen. Niemals habe sie daran gedacht, den Termin abzusagen, versichert Merkel, die in diesen Tagen eigentlich genug damit zu tun haben dürfte, den Euro und ihre Koalition zu stabilisieren.

Merkel zu Scherzen aufgelegt

Noch kurz vor der Buchvorstellung hatte sie vormittags beim Tag der deutschen Industrie Grundsätzliches zu Schuldenkrise gesagt, am Nachmittag wurden von ihr nicht weniger grundsätzliche Worte in der letzten Fraktionssitzung der CDU/CSU vor der entscheidenden Euro-Abstimmung im Bundestag erwartet. Und für den Abend hatte sich der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou bei ihr zum Essen angesagt.

Doch nun, beim Plaudern mit Rösler über Udo Jürgens, ist Merkel zu Scherzen aufgelegt. Als der FDP-Chef von der Aktualität des Hits „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“ schwärmt, geht die Kanzlerin trocken dazwischen: „Wir haben eher Angst vor der 45.“ Eine Anspielung darauf, dass Rösler sich vorgenommen hat, mit 45 Jahren aus der Politik auszusteigen. Ob der 38-Jährige angesichts der desolaten Lage seiner Partei noch so lange durchhält, steht für Merkel außer Frage „Ich bin da guter Dinge.“

Lehrerin und Klassenbester

Überhaupt demonstriert die Kanzlerin viel Zutrauen in ihren Stellvertreter. Dabei hat ihr Ton allerdings oft den einer zufriedenen Lehrerin gegenüber dem Klassenbesten. „Er hat direkt geantwortet, keinerlei Scheu gezeigt, eine große Auffassungsgabe, nett, fix, schnell, keine Umwege und Girlanden“, erzählt sie über ihren Eindruck vom ersten langen Gespräch mit dem damaligen Shooting-Star der FDP während der Koalitionsverhandlungen Ende 2009. Der Beginn einer guten Beziehung, fügt Merkel dann noch hinzu.

Wirklich unzufrieden war die Kanzlerin mit ihrem Koalitionspartner zuletzt nur wegen der Äußerungen zu einer möglichen Insolvenz Griechenlands. Und zwar nicht wegen der öffentlichen Spekulationen über eine Pleite des Mittelmeerlands, für dessen Rettung Merkel seit nunmehr eineinhalb Jahren kämpft. Sondern weil Rösler sich gegen „Denkverbote“ verwahrte. Und dieses große Wort stieß der ehemaligen DDR-Bürgerin Merkel dann doch sauer auf.

Ansonsten aber hebt Merkel selbst die Parallelen zwischen sich selbst, der früheren DDR-Naturwissenschaftlerin, und dem von einem deutschen Paar adoptierten Waisenkind aus Vietnam hervor. Auch ihre politische Biografie sei wie die Röslers eher ungewöhnlich, auch ihre parteipolitische Arbeit habe eher pragmatisch als idealistisch begonnen, betont die CDU-Politikerin. Einer Zuhörerin kommt so viel Harmonie auf dem Podium dann doch verdächtig vor. Doch ihre Frage, ob es sich womöglich um eine Satiresendung handelt, wird mit fröhlichem Gelächter quittiert. (afp)