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Ernüchterung bei der FDP nach der Berlin-Wahl: Noch vor vier Monaten herrschte bei Röslers Amtsantrittsrede große Aufbruchsstimmung. Die FDP werde liefern, verprach er - passiert ist wenig. Für die Jungen Liberalen in NRW ist klar: Die versprochene Lieferung muss endlich kommen.

Alexander Willkomm sitzt im Auto, als ihn die erste Hochrechnung aus Berlin erreicht. Der 23-jährige stellvertrende NRW-Chef der JuLis ist gerade auf dem Rückweg aus Nottuln bei Münster. Das Wochenende über hatte er dort mit seinen JuLI-Kollegen getagt, über Inhalte diskutiert, politische Strategien erörtert. Eigentlich war Wilkomm guter Dinge angesichts der vielen neuen Gesichter und der neuen Ideen, über die in Nottuln gesprochen wurde. Das Wochenende sei konstruktiv verlaufen. Doch dann bewahrheitet sich, was die Umfragen schon befürchten ließen. Die FDP verpasst mit einem desaströsen Ergebnis von 1,8 Prozent den Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus.

„Berlin ist eine Riesenenttäuschung, ein bitteres Ergebnis - auch für die Jungen Liberalen“, sagt Willkomm am Tag danach. Er selbst war vor wenigen Wochen noch vor Ort in Berlin, unterstützte seine Mitstreiter im Wahlkampf. Jeden Abend waren die Berliner JuLis unterwegs, warben auf Berlins Straßen um Zustimmung für liberales Gedankengut - doch nun ist es amtlich: Die Mühen haben sich nicht ausgezahlt.

„Wir haben von der Parteiführung mehr erwartet.“

Angesichts der Negativserie mit allein fünf Landesparlamenten, aus denen die FDP in diesem Jahr geflogen ist, ist die Ernüchterung groß. Der Roesler-Slogan „Wir sind wieder da“ mutet nur vier Monate nach seiner Verkündung wie eine Farce an. Zwar gehen die NRW-JuLis mit ihrem Parteivorsitzenden und dessen Führungscrew nicht ins ganz so hart ins Gericht, doch die Enttäuschung ist dennoch spürbar: „Wir haben in den letzten Monaten von der Parteiführung mehr erwartet.“

Das bezieht sich auch auf die aktuellen Vorschläge der Parteiführung, so zum Beispiel auf den Vorstoß Philipp Röslers in der Griechenlandfrage auch über eine geordnete Staatsinsolvenz nachzudenken. Vom Koalitionspartner CDU hagelte es kräftige Kritik, die Opposition forderte gar die Entlassung des Vizekanzlers. SDP-Chef Frank-Walter Steinmeier attackierte Rösler mit dem Vorwurf, er betreibe kurz vor der Berlin-Wahl parteipolitische Profilierungsspielchen - auf Kosten deutscher Verlässlichkeit in der Außenpolitik.

Die NRW-JuLis relativieren diesen Vorwurf. Sie fordern Regelungen zu schaffen, die eine geordnete Insolvenz eines Staates ermöglichen. Gleichzeitig macht Informatik-Student Willkomm klar: „Die FDP muss die Werte Europas wieder mehr betonen. Wir müssen zeigen, dass wir eine pro-europäische Partei sind.“ Europa sei nicht nur eine wirtschaftliche Gemeinschaft, sondern auch eine Solidargemeinschaft, sagte der stellvertretende NRW-JuLi-Vorsitzende.

„Die Steuersenkung für Hoteliers war ein Fehler.“

Deutlicher wird die Kritik, wenn es um bislang nicht umgesetzte Wahlversprechen geht: „Vor allem Steuervereinfachungen und auch Steuersenkungen müssen kommen. Solange wir das nicht liefern, werden wir in der Bevölkerung nicht ankommen“, findet Willkomm. Steuergeschenke zugunsten von einzelnen Interessengruppen hingegen seien nicht hilfreich gewesen. „Die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers war ein Fehler und gehört korrigiert“, fordert Willkomm weiter. Deutliche Worte aus NRW in Richtung Bundeshauptstadt.

Und die Forderungen beziehen sich nicht nur auf die Korrektur vergangener Fehler. Für den politischen Herbst sieht Willkomm ein bestimmtes Thema ganz weit vorn auf der FDP-Agenda: die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung. Hier müsse sich die FDP profilieren, schließlich gehe es hier um ein klassisch liberales Steckenpferd: die Bürgerrechte! Hier greift Willkomm den oft zitierten Satz seines Parteivorsitzenden auf und fordert mit Nachdruck: „Wir - die Jungen Liberalen - erwarten, dass im Herbst bei der Vorratsdatenspeicherung geliefert wird.“ Was das heißt, ist klar: Ein „Nein“ zur Vorratsdatenspeicherung.