Essen. . Der frühere Leibarzt von Osama bin Laden und Vize-Chef von El Kaida ist offenbar nun offiziell die Nummer 1 des Terror-Netzwerkes. Er gilt als Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001.

Das Terrornetzwerk Al-Kaida wird künftig von Aiman al Sawahri geführt, dem bisherigen Stellvertreter von Osama bin Laden. Auf einer Website, die der Organisation nahe steht, hieß es am Donnerstag, al Sawahri werde bin Ladens Nachfolger.

Wenn Osama bin Laden das Gesicht El Kaidas war, dann ist Eiman al Sawahiri das Gehirn des Terrornetzwerks. Offiziell gilt der Ägypter als Nummer zwei der Organisation, doch nun steigt er zum neuen US-Staatsfeind Nummer eins auf. Auch auf ihn ist ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Doch so richtig zu trennen war die Macht der Männer wohl nie. Sie arbeiteten zusammen. Glaubt man den Do­kumenten der Enthüllungsplattform Wikileaks, dann saßen bin Laden und Sawahiri am 11. September 2001 im pakistanischen Karatschi vor dem Fernseher und verfolgten den Einsturz der Türme, bevor sie gemeinsam nach Afghanistan flohen. Und während bin Laden für die extremistischen Islamisten zum Guru mutierte, ist der Ägypter bis heute die strategische Kraft geblieben.

Gesuchte Top-Terroristen

Galt als meist gesuchter Terrorist der Welt: Osama bin Laden auf dem Fahndungsaufruf der US-Bundespolizei FBI.
Galt als meist gesuchter Terrorist der Welt: Osama bin Laden auf dem Fahndungsaufruf der US-Bundespolizei FBI. © AFP
Die USA hatten 25 Millionen Dollar Kopfgeld auf bin Laden ausgesetzt.
Die USA hatten 25 Millionen Dollar Kopfgeld auf bin Laden ausgesetzt. © AFP
Ausschnitt aus einem El Kaida-Video nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.
Ausschnitt aus einem El Kaida-Video nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. © AFP
Gilt als Nummer zwei an der Spitze von El Kaida: Ayman al-Zawahiri. Das Bild entstammt einer TV-Übertragung auf dem arabischen TV-Kanal Al Dschasira.
Gilt als Nummer zwei an der Spitze von El Kaida: Ayman al-Zawahiri. Das Bild entstammt einer TV-Übertragung auf dem arabischen TV-Kanal Al Dschasira. © AFP
Adam Yahiye Gadahn: Wird von den USA der Organisationsspitze von El Kaida zugeordnet und trat dort in der Vergangenheit als Medien-Verantwortlicher auf.
Adam Yahiye Gadahn: Wird von den USA der Organisationsspitze von El Kaida zugeordnet und trat dort in der Vergangenheit als Medien-Verantwortlicher auf.
Mohammed Ali Hamadi oder Ali Hamadei ist von den USA als Top-Terrorist gesucht; könnte im Juni 2010 beim Angriff einer US-Drohne in Pakistan getötet worden sein, steht aber noch auf der FBI-Liste.
Mohammed Ali Hamadi oder Ali Hamadei ist von den USA als Top-Terrorist gesucht; könnte im Juni 2010 beim Angriff einer US-Drohne in Pakistan getötet worden sein, steht aber noch auf der FBI-Liste.
Fahnd Mohammed Ahmed Al-Quso: Der heute 35-Jährige wird im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag vom 12. Oktober 2000 auf das amerikanische Kriegsschiff USS-Cole in Aden/Jemen gesucht. Bei dem Anschlag starben 17 US-Soldaten.
Fahnd Mohammed Ahmed Al-Quso: Der heute 35-Jährige wird im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag vom 12. Oktober 2000 auf das amerikanische Kriegsschiff USS-Cole in Aden/Jemen gesucht. Bei dem Anschlag starben 17 US-Soldaten.
Abdullah Ahmed Abdullah: Der etwa 50-jährige Ägypter wird von den USA wegen verschiedener Delikte gesucht und zur Spitze des Terrornetzwerks Al Kaida gezählt.
Abdullah Ahmed Abdullah: Der etwa 50-jährige Ägypter wird von den USA wegen verschiedener Delikte gesucht und zur Spitze des Terrornetzwerks Al Kaida gezählt.
Jamal Mohammad al-Badawi: Auch auf ihn haben die USA fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Ihm wird unter anderem Verschwörung und 17-facher Mord an US-Soldaten vorgeworfen.
Jamal Mohammad al-Badawi: Auch auf ihn haben die USA fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Ihm wird unter anderem Verschwörung und 17-facher Mord an US-Soldaten vorgeworfen.
Hasan Izz-al-Din: Er gilt als Mitglied der libanesischen Terrororganisation Hisbollah und wird unter anderem für eine Flugzeugentführung im Jahr 1985 verantwortlich gemacht, bei der ein US-Bürger ermordet wurde.
Hasan Izz-al-Din: Er gilt als Mitglied der libanesischen Terrororganisation Hisbollah und wird unter anderem für eine Flugzeugentführung im Jahr 1985 verantwortlich gemacht, bei der ein US-Bürger ermordet wurde.
Abdelkarim Hussein Mohamed al-Nasser: Terrorist der Hisbollah wegen verschiedener Bombenattentate gesucht, bei der unter anderem 19 US-Soldaten getötet wurden.
Abdelkarim Hussein Mohamed al-Nasser: Terrorist der Hisbollah wegen verschiedener Bombenattentate gesucht, bei der unter anderem 19 US-Soldaten getötet wurden.
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Der starke Mann von El-Kaida

Sawahiri, studierter Chirurg, Sohn eines Medizinprofessors, war Leibarzt bin Ladens, intellektueller Chefplaner El Kaidas und wahrscheinlich schon länger der starke Mann der Organisation. Er meldete sich immer wieder mit Videobotschaften zu Wort – zuletzt erst Mitte April. Der 59-Jährige rief zum Kampf gegen Gaddafi in Libyen auf, bevor „sich die Hilfe des Westens in eine Invasion verwandelt“. Der Fortbestand der arabischen Nation hänge „von der Einführung des islamischen Rechts und der Zerstörung Israels“ ab, dozierte er.

Sawahiri trug Turban und wirkte wie ein müder Mann, der fast schon verzweifelt gegen den Starrsinn der Welt anzupredigen schien, die einfach nicht verstehen will. Seine Botschaft hatte fast etwas Anachronistisches: Der arabische Frühling hat eine Zeitenwende eingeleitet, die über ihn und El Kaida einfach so hinweggegangen ist.

Man verband sich und verstand sich

Das macht Sawahiri nicht ungefährlicher. Er würde niemals aufgeben. Schon als Jugendlicher in Ägypten radikalisierte er sich, lebte seinen Hass auf den Westen, auf ungläubige ­arabische Führer, auf Israel aus und kämpfte für die Rückbesinnung auf das, was er den wahren Glauben nennt. Er predigte und hetzte – auch in seiner Zeit als Chirurg in der ägyptischen Armee. Sawahiri war Mitglied der Moslembruderschaft, verließ diese aber wieder. Er gehörte zu den Mitbegründern von El Dschihad und wurde wegen Mittäterschaft bei der Ermordung des prowestlichen ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat 1981 zu drei Jahren Haft verurteilt.

Obama sah dem Einsatz zu

Bange, angespannte Minuten im Weißen Haus: Den Einsatz gegen Osama bin Laden verfolgte Barack Obama  ...
Bange, angespannte Minuten im Weißen Haus: Den Einsatz gegen Osama bin Laden verfolgte Barack Obama ... © AP
... gemeinsam mit Vizepräsident Joe Biden (links) und Außenministerin Hillary Clinton (2. von rechts vorne) und Verteidigungsminister Robert Gates (rechts vorne) via Live-Schaltung. Gemeinsam mit den Ministern ...
... gemeinsam mit Vizepräsident Joe Biden (links) und Außenministerin Hillary Clinton (2. von rechts vorne) und Verteidigungsminister Robert Gates (rechts vorne) via Live-Schaltung. Gemeinsam mit den Ministern ... © AP
... und weiteren Beratern seines Teams für Nationale Sicherheit diskutierte Obama die Vorgänge in Pakistan.
... und weiteren Beratern seines Teams für Nationale Sicherheit diskutierte Obama die Vorgänge in Pakistan. © AP
Für die Beratungen hatte sich der US-Präsident seine ranghöchsten Experten ins Weiße Haus geholt. Hier spricht er mit Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff. Mit dem beriet er sich ebenso ...
Für die Beratungen hatte sich der US-Präsident seine ranghöchsten Experten ins Weiße Haus geholt. Hier spricht er mit Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff. Mit dem beriet er sich ebenso ... © AP
... wie mit Geheimdienstkoordinator James Clapper, Sicherheitsberater Tom Donilon und CIA-Direktor Leon Panetta (von links).
... wie mit Geheimdienstkoordinator James Clapper, Sicherheitsberater Tom Donilon und CIA-Direktor Leon Panetta (von links). © AP
In mehreren Sitzungen bereitete sich der US-Präsident ...
In mehreren Sitzungen bereitete sich der US-Präsident ... © AP
... auf die Rede vor, die er am späten Abend des 1. Mai halten sollte und in der er das Ende der zehn Jahre währenden Jagd auf Osama bin Laden verkündete.
... auf die Rede vor, die er am späten Abend des 1. Mai halten sollte und in der er das Ende der zehn Jahre währenden Jagd auf Osama bin Laden verkündete. © AP
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Ob er an diesem Attentat beteiligt war, ist unklar. Sicher ist, dass die Folterungen in dieser Haftzeit ihn stark geprägt und noch gewalttätiger gemacht haben. Sicher ist auch, dass der Krieg in Afghanistan ihn stark beeinflusste. Vor und nach seiner Haft be­handelte er Mudschaheddin, die im Kampf gegen die damalige Sowjetunion verletzt wurden. Und dabei lernte er Osama bin Laden kennen, der Mudschaheddin-Kämpfer an­warb. Die Männerfreundschaft der Terror­paten entstand Ende der 80er Jahre, als Sawahiri den verletzten bin Laden behandelte, während um sie herum die sowjetischen Bomben fielen. Man verband sich und verstand sich.

Sawahiri, der nebenbei Gedichte schreibt, hat nichts mehr zu verlieren. Seine Frau und seine drei Kinder ­starben bei einem US-Luftangriff in Kandahar.