Essen. . Der frühere Leibarzt von Osama bin Laden und Vize-Chef von El Kaida ist offenbar nun offiziell die Nummer 1 des Terror-Netzwerkes. Er gilt als Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001.
Das Terrornetzwerk Al-Kaida wird künftig von Aiman al Sawahri geführt, dem bisherigen Stellvertreter von Osama bin Laden. Auf einer Website, die der Organisation nahe steht, hieß es am Donnerstag, al Sawahri werde bin Ladens Nachfolger.
Wenn Osama bin Laden das Gesicht El Kaidas war, dann ist Eiman al Sawahiri das Gehirn des Terrornetzwerks. Offiziell gilt der Ägypter als Nummer zwei der Organisation, doch nun steigt er zum neuen US-Staatsfeind Nummer eins auf. Auch auf ihn ist ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt.
Doch so richtig zu trennen war die Macht der Männer wohl nie. Sie arbeiteten zusammen. Glaubt man den Dokumenten der Enthüllungsplattform Wikileaks, dann saßen bin Laden und Sawahiri am 11. September 2001 im pakistanischen Karatschi vor dem Fernseher und verfolgten den Einsturz der Türme, bevor sie gemeinsam nach Afghanistan flohen. Und während bin Laden für die extremistischen Islamisten zum Guru mutierte, ist der Ägypter bis heute die strategische Kraft geblieben.
Gesuchte Top-Terroristen
Der starke Mann von El-Kaida
Sawahiri, studierter Chirurg, Sohn eines Medizinprofessors, war Leibarzt bin Ladens, intellektueller Chefplaner El Kaidas und wahrscheinlich schon länger der starke Mann der Organisation. Er meldete sich immer wieder mit Videobotschaften zu Wort – zuletzt erst Mitte April. Der 59-Jährige rief zum Kampf gegen Gaddafi in Libyen auf, bevor „sich die Hilfe des Westens in eine Invasion verwandelt“. Der Fortbestand der arabischen Nation hänge „von der Einführung des islamischen Rechts und der Zerstörung Israels“ ab, dozierte er.
Sawahiri trug Turban und wirkte wie ein müder Mann, der fast schon verzweifelt gegen den Starrsinn der Welt anzupredigen schien, die einfach nicht verstehen will. Seine Botschaft hatte fast etwas Anachronistisches: Der arabische Frühling hat eine Zeitenwende eingeleitet, die über ihn und El Kaida einfach so hinweggegangen ist.
Man verband sich und verstand sich
Das macht Sawahiri nicht ungefährlicher. Er würde niemals aufgeben. Schon als Jugendlicher in Ägypten radikalisierte er sich, lebte seinen Hass auf den Westen, auf ungläubige arabische Führer, auf Israel aus und kämpfte für die Rückbesinnung auf das, was er den wahren Glauben nennt. Er predigte und hetzte – auch in seiner Zeit als Chirurg in der ägyptischen Armee. Sawahiri war Mitglied der Moslembruderschaft, verließ diese aber wieder. Er gehörte zu den Mitbegründern von El Dschihad und wurde wegen Mittäterschaft bei der Ermordung des prowestlichen ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat 1981 zu drei Jahren Haft verurteilt.
Obama sah dem Einsatz zu
Ob er an diesem Attentat beteiligt war, ist unklar. Sicher ist, dass die Folterungen in dieser Haftzeit ihn stark geprägt und noch gewalttätiger gemacht haben. Sicher ist auch, dass der Krieg in Afghanistan ihn stark beeinflusste. Vor und nach seiner Haft behandelte er Mudschaheddin, die im Kampf gegen die damalige Sowjetunion verletzt wurden. Und dabei lernte er Osama bin Laden kennen, der Mudschaheddin-Kämpfer anwarb. Die Männerfreundschaft der Terrorpaten entstand Ende der 80er Jahre, als Sawahiri den verletzten bin Laden behandelte, während um sie herum die sowjetischen Bomben fielen. Man verband sich und verstand sich.
Sawahiri, der nebenbei Gedichte schreibt, hat nichts mehr zu verlieren. Seine Frau und seine drei Kinder starben bei einem US-Luftangriff in Kandahar.