Essen. . Was kommt heraus, wenn zwei ältere Männer – Ex-Kanzler der eine, Fernsehjournalist der andere – aus ihrer Jahrzehnte langen Erfahrung in der Weltpolitik die Tötung Osama bin Ladens beurteilen sollen? Ein völliger Verriss und bisschen Nostalgie.

Helmut Schmidt und Peter Scholl-Latour halten gar nichts von Obamas Kommandounternehmen – und erinnern gerne an Zeiten, in denen die Politik angeblich Fingerspitzengefühl bewies statt mit der Maschinenpistole zu zielen. Finden beide.

Der Auftritt der beiden bei Reinhold Beckmann geriet am späten Montagabend zum Scherbengericht über die aktuelle Washingtoner Politik. „Ein Verstoß gegen das Völkerrecht“ sei das Unternehmen gegen Bin Laden gewesen, fand Schmidt. „Eine glatte Verletzung der pakistanischen Souveranität“, glaubt Scholl-Latour. Wobei das Duo hier und da auch „Verständnis für Amerikas Triumph“ (Schmidt) über den Todesfall in Pakistan aufbrachte und für „Obamas schwierige Lage“.

Anders als Nahost-Kenner Scholl-Latour, der entgegen vieler früherer Auftritte an diesem Abend sehr moderat und vorsichtig argumentierte, sieht der Alt-Kanzler schwarz für die Zukunft. „Die Überheblichkeit“ des Westens sei fatal. Denkbar sei es, dass sich nicht wenige der 50 islamisch ausgerichteten Staaten irgendwann zusammenschlössen. Nie hätte er die Verantwortung für die Tötungsaktion tragen wollen, sagt Schmidt. Auch einen Zusammenprall der Zivilisationen, wie Huntington vorausgesagt hat, könne er zumindest nicht ausschließen.

Wenig Auswirkungen auf die arabischen Länder

Scholl-Latour sieht das alles im Trend genau so, nur weniger dramatisch ausgeformt. Der Tod Osama Bin Ladens werde nur „wenige Auswirkungen auf die arabischen Länder haben“. Und El Kaida, die Organisation, die Bin Laden geführt habe? Die sei „nie populär“ in den arabischen Staaten gewesen, erzählt der Journalist. „Das Wort El Kaida war lange unbekannt“.

Osama bin Laden ist tot

Er war der meistgesuchte und wohl gefürchtetste Terrorist der Welt - jetzt ist Osama bin Laden tot.
Er war der meistgesuchte und wohl gefürchtetste Terrorist der Welt - jetzt ist Osama bin Laden tot. © AP
US-Präsident Barack Obama bestätigte in der Nacht zu Montag in einer TV-Ansprache, ...
US-Präsident Barack Obama bestätigte in der Nacht zu Montag in einer TV-Ansprache, ... © AP
... dass der Chef des Terrornetzwerks El Kaida bei einem Feuergefecht in Pakistan von einem US-Kommando getötet wurde. Eine DNA-Analyse habe die Identität des Toten bestätigt. Über das Internet machte ein verstörendes Foto die Runde, ...
... dass der Chef des Terrornetzwerks El Kaida bei einem Feuergefecht in Pakistan von einem US-Kommando getötet wurde. Eine DNA-Analyse habe die Identität des Toten bestätigt. Über das Internet machte ein verstörendes Foto die Runde, ... © AP
... das den Terroristenführer zeigen sollte. Bei dem Foto ...
... das den Terroristenführer zeigen sollte. Bei dem Foto ... © AFP
... handelte es sich jedoch um eine Fälschung, die bereits im Jahr 2009 im Internet kursierte.
... handelte es sich jedoch um eine Fälschung, die bereits im Jahr 2009 im Internet kursierte. © AP
"Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", sagte der US-Präsident. Er selbst, so Obama, habe den geheimen Einsatz angeordnet. © REUTERS
Die Nachricht vom Tod des Terroristen markiert das Ende einer Jagd, die nahezu zehn Jahre lang angedauert hat.
Die Nachricht vom Tod des Terroristen markiert das Ende einer Jagd, die nahezu zehn Jahre lang angedauert hat. © AP
Der Terrorist Bin Laden ...
Der Terrorist Bin Laden ... © AP
... wird von den USA für die Terroranschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht. Bei den gezielten Flugzeugabstürzen ...
... wird von den USA für die Terroranschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht. Bei den gezielten Flugzeugabstürzen ... © Reuters
... auf das World Trade Center in New York ...
... auf das World Trade Center in New York ... © Reuters
... und das Pentagon starben mehr als 3000 Menschen.
... und das Pentagon starben mehr als 3000 Menschen. © Reuters
Seit dem stand Bin Laden auf der
Seit dem stand Bin Laden auf der "Most Wanted"-Liste des FBI ganz oben. 50 Millionen Dollar hatten die USA für Hinweise ausgesetzt, die zu seiner Ergreifung führen. Doch aus dem Nichts ... © Reuters
... meldete sich der Islamisten-Führer immer wieder in Video- oder Tonbandbotschaften zu Wort ...
... meldete sich der Islamisten-Führer immer wieder in Video- oder Tonbandbotschaften zu Wort ... © REUTERS
... und verhöhnte seine Verfolger.
... und verhöhnte seine Verfolger. © REUTERS
Als zwölftes von mehr als 50 Kindern eines reichen saudiarabischen Bauunternehmers wurde Bin Laden vermutlich im Jahr 1957 in Riad geboren.
Als zwölftes von mehr als 50 Kindern eines reichen saudiarabischen Bauunternehmers wurde Bin Laden vermutlich im Jahr 1957 in Riad geboren. © AP
Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann Bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks
Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann Bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks "El Kaida" ("Das Fundament"). © AP
"Er war ein junger Mann, der sich enthusiastisch für den heiligen Krieg einsetzte", beschrieb ihn der saudiarabische Ex-Geheimdienstchef Prinz Turki el Feisal in einem Fernsehinterview. "Er sprach wenig und erhob nie seine Stimme. Kurzum, er war ein netter Kerl." © AP
Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den
Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den "Dschihad", den religiös motivierten Krieg. © AFP
Die Neuigkeit, dass Bin Laden tot ist, ging in kurzer Zeit rund um die Welt. In Neu Delhi brannten Plakate mit seinem Konterfei, ...
Die Neuigkeit, dass Bin Laden tot ist, ging in kurzer Zeit rund um die Welt. In Neu Delhi brannten Plakate mit seinem Konterfei, ... © AFP
... vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich jubelnde Amerikaner.
... vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich jubelnde Amerikaner. © AP
Sie feierten das erfolgreiche Ende der Suche nach dem Top-Terroristen.
Sie feierten das erfolgreiche Ende der Suche nach dem Top-Terroristen. © AFP
Der frühere US-Präsident George W. Bush sprach von einem
Der frühere US-Präsident George W. Bush sprach von einem "Sieg für Amerika". © REUTERS
In die Erleichterung mischt sich aber auch Sorge um mögliche Terror-Reaktionen von Bin Ladens Anhängern.
In die Erleichterung mischt sich aber auch Sorge um mögliche Terror-Reaktionen von Bin Ladens Anhängern. © AP
Die USA warnten ihre im Ausland befindlichen Staatsangehörigen vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen  versetzten ihre Botschaften weltweit in Alarmbereitschaft.
Die USA warnten ihre im Ausland befindlichen Staatsangehörigen vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen versetzten ihre Botschaften weltweit in Alarmbereitschaft. © AP
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Völlig einig waren sich die beiden freilich, als es um die Vergangenheit ging. Früher war alles besser, natürlich. Zum Beispiel zu Wischnewskis Zeiten. „Wischnewski hatte ein Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Arabern“, lobte Helmut Schmidt seinen längst verstorbenen Kanzleramtschef und Chefunterhändler in der Geiselkrise von 1977. „Wunderbar“ sei dieser „Ben Wisch“ gewesen, pflichtete Scholl-Latour bei – und auch ganz toll sei es gewesen, wie der beim Algerienkonflikt die Kriegskasse der Aufständischen versteckt habe…