Kurskorrektur, Neuausrichtung, Erneuerung – mit diesen Worthülsen traktiert die am Abgrund stehende FDP nun schon seit Wochen das ermüdete politische Publikum, findet Kommentator Dirk Hautkapp.

Je öfter die Begriffe fallen, desto größer wird der Zweifel: Sind die Liberalen – unter welchem neuem Vorsitzenden und mit welcher neuen Führungsmannschaft auch immer – überhaupt in der Lage, ihren Wunsch nach zeitgemäßer Veränderung auf einen griffigen Nenner zu bringen, der gesellschaftlich mehrheitsfähig und für künftige Wähler attraktiv ist? Womit überhaupt wäre der FDP gedient?

Auf jeden Fall mit mehr Mitte, Maß und Balance. Unter Guido Westerwelle hat sich die Partei, die zehn Jahre lang durch ihn, von ihm und mit ihm lebte, zu einem einfarbigen, uniformen Verein der Prinzipienreiterei, der uneingelösten Versprechen und abenteuerlichen Kehrtwendungen entwickelt.

Abgenutztes Mantra

Nirgends lässt sich das besser ablesen als am Auftritt in der abgewirtschafteten liberalen Königsdisziplin: der Ökonomie. Mehr als das abgenutzte Mantra „Steuererhöhung ist schlecht, Privatisierung ist gut“ hat die Partei kaum zu bieten. Der Nachholbedarf ist enorm.

Auch strategisch muss die FDP ihre Linien ganz neu ziehen. Die politische Fixierung auf CDU/CSU ist Gift. Die Entscheidung, sich jeder anderen Koalition zu verweigern, hat die FDP zum Eckensteher im parlamentarischen System gemacht. Deplatziert für eine Partei, die qua Gründungsphilosophie auf Flexibilität und Offenheit setzt.

Entscheidend für eine Grundsanierung an Haupt und Gliedern wird aber die Alltagstauglichkeit der neuen politischen Botschaft sein. Das gültige Parteiprogramm ist bald 15 Jahre alt. Nach den Maßstäben der beschleunigten, digitalen Welt ist das politisches Pleistozän.

Keine vitalen Antworten

Die Liberalen haben keine vitalen, reformfreudigen und begeisternden Antworten auf die zentralen Herausforderungen der nächsten 20 Jahre: Wie entwickelt sich das alles durchdringende Internet? Wie kann die Klimakatastrophe abgewendet werden? Was ist zu tun, damit der globale Finanzmarkt die Welt nicht wieder an den Abgrund führt?

Für die FDP sind all das existenzielle Themen, weil sie mit dem oft falsch verstandenen Glaubensbekenntnis des Liberalismus kollidieren: Vertrauen in das Individuum, Skepsis gegenüber dem Staat, Freiheit vor Sicherheit. Alle drei Krisen-Herde - Internet, Klima, Finanzen - eint, dass ihre Wurzeln eben nicht in zu viel Staat liegen, sondern in der maßlosen Ausübung zu wenig kontrollierter individueller Freiheit.

Versagt die FDP bei der Aufgabe, hier ihren Standort neu zu bestimmen, braucht sie keinen neuen Vorsitzenden mehr. Dann ist sie überflüssig.