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Die Bilanz ist auf den ersten Blick beeindruckend: Mit fünf Singles aus ihrem neuen Album landete Lena Meyer-Landrut gleichzeitig in den Deutschen Charts. Doch „Taken by a stranger“ - ihr Song für den Eurovision Song Contest - landet hinter „Grenade“ von Bruno Mars „nur“ auf Platz 2.
Bei dem vorherigen Medienhype durch die ARD/ProSieben-Kooperations-Sendung „Unser Song für Deutschland“ ist das kleine Überraschung. Schließlich sprang ihr Sieger-Lied „Satellite“ vor einem Jahr ebenso von Null auf 1 wie zahlreiche andere Songs aus anderen Casting-Shows wie etwa „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS).
„Mittleres Chart-Fiasko für Plattenfirma Universal“
Jetzt diskutieren die Fans über die Folgen und die Außenwirkung durch die „Schlappe“. Schließlich ist „Taken by a Stranger“ für den Eurovision Song Contest „Unser Song für Deutschland“. In einem Blog ist unter anderem von einem mittleren Chart-Fiasko für die Plattenfirma „Universal“ die Rede. Doch die Gründe für das Ergebnis scheinen wesentlich komplexer.
So hat es offenbar in der Startwoche eine Verkaufssperre für den Titel bei wichtigen Downloadshops vom Media Markt, Saturn, MedionMusic und Jamba gegeben. „Download-Verkäufe machen rund 85 Prozent der offiziellen deutschen Single Charts aus“, erläutert Hans Schmucker von media control auf DerWesten-Anfrage. Damit wäre ein wichtiger Umsatz-Faktor weggebrochen.
Unübliche Verkaufsstrategie
Musikbranchenexperte Heiko Maus erhielt einen Hinweis, dass der Titel zunächst nicht bei der Gema gemeldet war. „Vielleicht war die Liste nicht aktuell. Oder man hat wirklich geschlampt und versäumt den Titel einzutragen?“, so Maus im DerWesten-Gespräch. Häufig gebe es auch Plagiatsvorwürfe, die nicht an die Öffentlichkeit geraten. Dann könne es zu einstweiligen Verfügungen mit Verkaufsstops kommen, so Maus. Zusätzlich habe es Verwirrung durch eine Cover-Version von „Taken By A stranger“ gegeben. „Vielleicht sind die Shops deswegen vorsichtig beziehungsweise gesperrt worden?“, spekuliert der Musikexperte.
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Universal wollte sich auf DerWesten-Anfrage nicht zu dem Thema äußern. Auch zu der Verkaufsstrategie gab Lenas Plattenfirma keine Stellungnahme ab. Dabei war die gleichzeitige Veröffentlichung von fünf Singles eher marktunüblich. „Hier macht sich die eigene Konkurrenz bemerkbar. Die Strategie ist wohl, nicht unbedingt den Top-Titel zu haben, sondern über mehrere Titel den Erlös zu erzielen“, erklärt Heiko Maus. Nachdem alle neuen Lieder ausgiebig der Öffentlichkeit präsentiert worden sind, mache eine zeitverschobene Auskopplung keinen Sinn.
Interesse am Markenartikel Lena hochhalten
Die Vermarktung des Albums hat derweil in der Musikbranche eine viel höhere Priorität als der Single-Verkauf gewonnen. „An Alben verdienen Plattenfirmen deutlich mehr als an Singles“, so Maus. Hier wird der Umsatz laut media control noch zu 79 Prozent durch die teurere physikalische CD erreicht. „Good News“, das zweite Album von Lena Meyer-Landrut nach „My Cassette Player“, landete im Februar auf Platz 1 der Album-Charts.
Wichtig wird in den nächsten Wochen sein, dass Lena Meyer-Landrut nicht schon vor dem Eurovision Song Contest verheizt und das Interesse an dem Markenartikel Lena hochgehalten wird. Oft werde der Verkauf von Alben durch Emotionalisierung, Sympathieherstellung mit dem Künstler und durch den Gewöhnungseffekt erreicht: „Wenn man einen Titel öfter hört, gewöhnt man sich so sehr an ihn, dass man eine Abneigung ablegen kann und ihn am Ende sogar gut findet“, erläutert Heiko Maus den Effekt aus der Musik- und Werbepsychologie.
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„Die Massenhysterie bleibt diesmal aus“
Weiter komme eine soziale Komponente hinzu: „Es ist wie bei Karl-Theodor zu Guttenberg. Wenn alle sagen, der Typ ist fantastisch, dann glaube ich das auch“, sagt Maus. Bei Lena scheine das in diesem Jahr allerdings nicht mehr so gut zu funktionieren. „Die Massenhysterie bleibt diesmal aus, die Sängerin hat sich etwas abgenutzt“.
Trotzdem sieht Heiko Maus keine negativen Auswirkungen durch Platz 2 in den Single-Charts für „Taken By A Stranger“: „Viele große Hits aus der Vergangenheit, die heute Evergreens sind, waren niemals auf Platz 1.“Wichtig sei, ob die Zuschauer weiterhin zu Lena halten und die Titelverteidigung spannend finden. „Da der Eurovision Song Contest in Deutschland stattfindet, gibt es generell ein erhöhtes Interesse. Ich mache mir da bei Lena Meyer-Landrut keine Sorgen“, bilanziert der Musikexperte.