Köln. . Nach dem Finale von „Unser Song für Deutschland“ baten ARD und Pro Sieben zur Pressekonferenz nach Köln. Dort gab es milde Kritik – und eine Kandidatin, die aus dem Modus der Dauerironie nicht mehr so recht rauskommt.
Irgendwo ist immer Karneval in Köln. So auch heute Abend. In der Stadthalle Mülheim findet eine Narrensitzung statt, ein paar Jecken schieben sich über die Schanzenstraße, mit ihren bunten Kostümen wirken sie irgendwie verloren in der grauen Industriekulisse. Hundert Meter entfernt geht es ebenfalls um Spaß, 365 Tage im Jahr. Hier sitzt die Firma Brainpool. Sie produziert „TV Total“ und 40 weiteren Formate, meist Comedy, das Gebäude hat eine eigene „Subway“-Filiale als Kantine.
In der Lobby hängen zwei Banner der ARD, ein seltener Anblick. Normalerweise beliefert Brainpool fast ausschließlich Privatsender. Heute geht es um „Unser Song für Deutschland“, eine Koproduktion mit den Öffentlich-Rechtlichen. Lena Meyer-Landrut ist zu Gast. Gerade war sie noch auf Sendung, bei „Unser Song für Deutschland“ hat sie ein halbes Dutzend Lieder interpretiert, eines davon ist nun offizieller Beitrag für den Eurovision Song Contest im Mai.
Sogar den härtesten Fans zu viel
Im Vorfeld gab es Kritik. 18 Songs, 18 Mal vorgetragen von derselben Sängerin – das war sogar den härtesten Lena-Fans ein bisschen viel. Von Stefan Raabs Vierfachrolle als Mentor, Songschreiber, Jurymitglied und Geldmagnet mal ganz zu schweigen. Möglich, dass es ungemütlich wird bei der Nachbesprechung.
Die Pressekonferenz findet in den Kulissen von „TV Total“ statt. Das Studio ist wesentlich kleiner, als es im Fernsehen aussieht. Etwa 200 Zuschauer gehen hier rein, es gibt mehr Scheinwerfer als Sitzplätze. Vor der Bühne rangeln ein paar nervöse Fotografen um den besten Blick, die Journalisten sitzen auf den Rängen.
Raab grinst
Vor der Konferenz darf Jury-Mitglied Barbara Schöneberger ein paar Worte sagen, dann treten die eigentlichen Gesprächspartner auf – neben Lena und Raab auch Thomas Schreiber und Lutz Marmor von der ARD sowie ProSieben-Vorstand Andreas Bartl. Die ARD-Männer tragen Anzüge, Lena Meyer-Landrut eine zum Lippenstift passende, knallrote Bluse. Schreiber sieht aus, als würde er seine Tochter zum Abi-Ball begleiten. Raab grinst. Es wirkt, als hätte er mehr Zähne als andere Menschen.
Die Journalisten im Publikum haben sich vorgenommen, kritisch zu sein. Stichwort: Siegersong. Steht zu befürchten, dass „Taken By A Stranger“ zu oft im Radio kommt und die Nation bis zum Eurovision Song Contest überdrüssig wird? Landrut: „Ich würd’ sagen, dass ist jetzt nicht unser Problem.“ Wird das seltsame Spandex-Ballett im Hintergrund noch ausgetauscht? Raab: „Wenn Sie’s scheiße finden, bleibt es.“ Wie schätzt du die Chancen des Songs in Düsseldorf ein? Landrut: „Wir haben gute Chancen, nicht Letzte zu werden.“ So geht das eine Weile. Es ist ein ungleiches Duell. Raab und Landrut wissen, dass für sie nichts schiefgehen kann. Fragen aus dem Publikum bleiben an einem Schirm aus Ironie und dosierter Abfälligkeit hängen.
Der Stefan Effenberg unter den Grand-Prix-Songs
Davor ist nicht mal das eigene Team gefeit. Als ARD-Mann Schreiber sagt, in Düsseldorf wolle man dem Grand-Prix-Slogan gerecht werden („Feel your heart beat“), unterbricht Landrut ihn mit einem nachgeahmten Herzschlag. Es ist ein Scherz, und doch fragt man sich, ob sie aus dieser ironischen Standardhaltung noch mal rauskommt.
Zugegeben, manche Fragen kann man nicht anders parieren. Ein Reporter hat den Siegersong gestoppt. Laut Grand-Prix-Reglement sei er 15 Sekunden zu lang. Was nun? Ein anderer behauptet, Landrut habe „beim dritten Song die zweite Zeile doppelt“ gesungen. Was war da los? Ein Vertreter vom Jugendradio findet „Taken by a Stranger“ zu mystisch. Ob das etwas für junge Menschen sei?
Ein paar Infos gibt es dann doch noch. „Team-Chef“ Schreiber kündigt eine Woche Specials zum Grand Prix an, es klingt ein bisschen bedrohlich. Beim Finale in Düsseldorf werde es außerdem einen „sensationellen Opening-Act“ geben, den er noch nicht nennen darf. Raab sagt, „Taken By a Stranger“ sei der Stefan Effenberg unter den Grand-Prix-Songs – polarisierend, aber mit guten Gewinnchancen. Man dürfe nur nicht überheblich werden. Er sagt es auch in Richtung Lena.
Hier geht’s zu unserem Spezial zum Eurovision Song Contest in Düsseldorf.