Berlin. . Regierung und Opposition wollen weiter über die Hartz-IV-Reform sprechen. Im Bundestag stimmte die Mehrheit für den Gesetzentwurf der Regierung. Im Bundesrat aber einigten sich Politiker beider Lager darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Der Bundesrat hat am Freitag die erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses zu Hartz IV beschlossen. Auf Antrag aller Länder stimmte der Bundesrat für weitere Verhandlungen mit dem Bundestag über die Reform. Die jüngsten Gespräche zwischen Regierung und Opposition über die Neuberechnung des Regelsatzes für Erwachsene und ein Bildungspaket für Kinder waren in der Nacht zu Mittwoch gescheitert. Die erste Vermittlungsrunde hatte die Bundesregierung beantragt, nachdem im Dezember der erste Gesetzentwurf von Union und FDP im Bundesrat gescheitert war.
Bei der erneuten Vermittlungsrunde über den mittlerweile überarbeiteten Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sollen nach dem Willen der Länder auch "spezifische Sonderbedarfe" geregelt werden. Dabei handelt es sich laut Antrag um die Anschaffung von Gebrauchsgütern mit längerem Gebrauchs- und höherem Anschaffungswert sowie anfallende Mobilitätskosten, die über den Regelsatz nicht ausreichend gedeckt seien. Bislang sind nach den Plänen der Bundesregierung im monatlichen Regelsatz von 364 Euro knapp 23 Euro für Mobilität vorgesehen.
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"Wir sind gezwungen zusammenzufinden"
"Wichtig ist jetzt, dass wir bereit sind, miteinander zu reden", sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der auch an den Verhandlungen beteiligt war. Vor einem Jahr habe das Bundesverfassungsgericht die Neuberechnung der Regelsätze angeordnet. Nun müsse "zeitnah" miteinander geredet werden. "Wir sind gezwungen zusammenzufinden." Das Angebot der Bundesregierung nannte Seehofer "sauber und fair".
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, die Politik insgesamt werde Schaden nehmen, wenn keine Lösung gefunden werde. Daher habe sich die Länderkammer darauf geeinigt, nicht über das am Freitagvormittag vom Bundestag verabschiedete unechte Vermittlungsergebnis abzustimmen. Dieses wäre im Bundesrat voraussichtlich gescheitert, weil Schwarz-Gelb dort keine Mehrheit hat. Nun müsse über die Parteigrenzen hinweg eine Verständigung erzielt werden, forderte Beck. "Es wird ganz entscheidend sein, ob wir uns verständigen wollen."
Bundestag für die Hartz-IV-Reform
Der Bundestag hatte zuvor die Vorschläge der Bundesregierung zur Korrektur der Hartz-IV-Reform gebilligt. Die Gesetzesänderungen zur Anhebung des Arbeitslosengeldes II um fünf auf 364 Euro und für ein Bildungspaket für Kinder haben damit aber nur die erste Hürde genommen. In der namentlichen Abstimmung des Bundestages stimmten 313 Abgeordnete für und 252 gegen die Vorschläge von Schwarz-Gelb. SPD, Grüne und Linkspartei hatten ihre Ablehnung angekündigt.
In der Bundestagsdebatte warfen sich Bundesregierung und Opposition gegenseitig vor, die Reform auf Kosten der Hartz-IV-Bezieher zu verschleppen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hielt SPD und Grünen vor, sie verwehrten Hartz-IV-Beziehern ein höheres Arbeitslosengeld und Kindern ein nachhaltig finanziertes Bildungspaket. SPD-Vizeparteichefin Manuela Schwesig forderte die Regierung auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Verhandlungen waren nach sieben Wochen in der Nacht zum Mittwoch geplatzt.
Im ersten Vermittlungsverfahren hatten SPD und Grüne zum Unwillen besonders der FDP durchgesetzt, dass neben den Hartz-Regelsätzen und dem Bildungspaket für Kinder auch über Mindestlohn und Gleichbezahlung verhandelt wird.
Lindner kritisiert Verhandlungsstrategie der Koalition
FDP-Generalsekretär Christian Lindner äußerte unterdessen Kritik an der Verhandlungsstrategie der Koalition. „Wir hätten nicht zulassen dürfen, dass die Opposition so viele unterschiedliche Materien in die Verhandlungen einbringt.“ Vieles von dem, worüber gestritten wurde, habe mit dem Verfassungsgerichtsurteil und mit Hartz IV gar nichts zu tun, sagte Lindner weiter. „Am Schluss haben wir gesprochen über Mindestlöhne und über Aspekte der Gemeindefinanzreform.“
Schleswig-Holsteins FDP-Sozialminister und stellvertretender Ministerpräsident Heiner Garg mahnte derweil einen „mutigen Schritt“ seines Parteivorsitzenden im Streit um die Reform an: „Es wäre ein genialer Schachzug von Guido Westerwelle, wenn er die ritualisierte Verhandlungskonfrontation mit einem mutigen Beitrag zum Konsens aufbrechen würde.“
Dabei würde er es sehr begrüßen, wenn sich die FDP in den Streitfragen zur Lohnuntergrenze und zur gleichen Bezahlung von Stammbelegschaften und Leih- und Zeitarbeitern „weniger dogmatisch als bisher zeigen würde“. Garg hob hervor, dass es sozial- und gesellschaftspolitisch richtig sei, für die Zeitarbeit eine Lohnuntergrenze vorzuschreiben.
Laumann: FDP für Scheitern der Hartz-Gespräche mitverantwortlich
Der Bundeschef der CDU-Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, wies der FDP unterdessen eine Mitverantwortung für das Scheitern der Hartz-IV-Einigungsgespräche zu. Wer wie die FDP eine gleiche Bezahlung für Leiharbeiter erst nach neun Monaten wolle, sei entweder „böswillig oder hat keine Ahnung“, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Fraktionschef. Er forderte die FDP auf, „vernünftig“ zu werden.
Nach Auffassung Laumanns hat aber auch die SPD die Gespräche mit immer neuen Forderungen „überfrachtet“. Die SPD habe versucht, die schwarz-gelbe Bundesregierung zu „sozialdemokratisieren“, kritisierte Laumann. (afp, dapd, rtr)