Kairo. . Nach Aussage eines Regierungsbeamten hat Ägyptens Präsident Mubarak die Hauptstadt Kairo verlassen. Er soll sich in seiner Urlaubsresidenz in Scharm-el-Scheich befinden. Zuvor hatte die Armee erklärt, nicht gegen den Staatschef zu putschen.

Die ägyptische Präsidentschaft will nach Angaben des Staatsfernsehens in Kürze eine "wichtige und dringende" Mitteilung verbreiten. Das teilte das Staatsfernsehen am Freitag über ein Nachrichten-Laufband mit, nachdem Staatschef Husni Mubarak zuvor unter dem Druck der Massenproteste die Hauptstadt Kairo verlassen hatte. Mubarak hatte am Vorabend einen Teil seiner Befugnisse an Vizepräsident Omar Suleiman abgegeben. Am Freitag begab er sich nach Angaben der Regierungspartei mit seiner Familie zum Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer, wo er eine Villa besitzt.

Nach nur sieben Tagen im Amt gibt der Generalsekretär von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei wieder auf. Ägypten brauche neue Parteien, sagte Hossam Badrawi dem TV-Sender al-Hajat.

Reporter des US-Fernsehsenders CNN berichten indes, dass sich eine Menschenmenge dem Präsidentenpalast nähert. Die Armee hat mit Panzern einen Schutzgürtel um den Palast geschlossen, um Plünderungen zu vermeiden. Die ägyptischen Streitkräfte stellten sich am Freitag hinter die Entscheidung von Präsident Husni Mubarak, nicht zurückzutreten und die meisten Amtsbefugnisse seinem Stellvertreter Omar Suleiman zu übertragen. Eine entsprechende Erklärung gaben die Streitkräfte nach einem Treffen des Obersten Rats unter Leitung von Verteidigungsminister Hussein Tantawi am Vormitag ab.

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Die Streitkräfte erklärten, sie unterstützten Mubaraks Plan für eine friedliche Übergabe der Macht sowie freie und gerechte Wahlen noch in diesem Jahr. Die Haltung des Militärs dürfte die Verärgerung unter den Demonstranten, die seit mehr als zwei Wochen in Massenprotesten den Rücktritt Mubaraks fordern, weiter anheizen.

Bei Zusammenstößen am Rande einer Demonstration gegen den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak sind auf der Sinai-Halbinsel am Freitag ein Mensch getötet und 20 weitere verletzt worden. Nach Angaben eines Vertreters der Sicherheitskräfte kam es in der Stadt El Arisch zu einem Schusswechsel, als Demonstranten versuchten, Gefangene aus einer Polizeiwache zu befreien. Dabei sei ein Mensch getötet worden. Zeugen zufolge warfen etliche Demonstranten Brandbomben auf die Polizeiwache und setzten damit mehrere Fahrzeuge in Brand.

Die Opposition des Landes rief schon vorab erneut einen „Tag des Zorns“ aus. Grund ist Mubaraks Rede an die Nation vom Donnerstagsabend, in der er eine Machtübergabe an Vizepräsident Omar Suleiman, jedoch nicht den erwarteten eigenen Rücktritt ankündigte. Die Demonstranten reagierten mit wütenden Protesten, die auch in der Nacht anhielten. Viele der rund 200.000 Menschen reckten während der Rede ihre Schuhe in die Höhe, was in der arabischen Welt eine schwere Beleidigung bedeutet.

Die Demonstranten weichen nicht vom Tahrir-Platz

„Nieder mit Mubarak, verschwinde“, skandierten zahlreiche Demonstranten. Ungläubig und zornig schlagen sich viele Zuhörer an die Stirn. Manche brechen in Tränen aus. Viele schwenkten Fahnen und forderten lautstark einen neuen Generalstreik sowie einen Marsch zum Präsidentenpalast. Der Demonstrant Hassan Chalifa, ein Chemiker, versichert, dass der Protest weiter geht. „Er hat schon früher versucht, die Menschen zu spalten“, sagt er über Mubarak. „Aber jetzt durchschauen ihn die Leute und sie haben begriffen, wie er vorgeht.“ „Wir werden nicht weichen“, schworen andere, die den Platz für die Nacht verließen, aber ihre Rückkunft ankündigten. Mubarak sieht sich seit dem 25. Januar mit einer massiven Protestwelle konfrontiert. Tag für Tag fordern hunderttausende Menschen seinen Rücktritt.

Husni Mubarak kündigte im TV an, bis September Präsident bleiben zu wollen. Foto: rtr
Husni Mubarak kündigte im TV an, bis September Präsident bleiben zu wollen. Foto: rtr © REUTERS

„Ich habe mich entschlossen, gemäß der Verfassung meine Macht dem Vizepräsidenten“ Omar Suleiman „zu übergeben“, sagte Mubarak in seiner Rede. Die Machtübergabe werde jedoch „von heute bis zum September“ dauern. Mubarak hatte bereits zuvor erklärt, bei der Wahl im September nicht mehr anzutreten. Er werde sich keinem „ausländischen Diktat beugen“, sagte Mubarak. Er kündigte zudem an, sechs restriktive Verfassungsartikel zu ändern oder zu streichen.

„Ägypten wird explodieren“

Der ägyptische Oppositionspolitiker Mohamed ElBaradei hat das Militär zum Eingreifen aufgefordert. „Ägypten wird explodieren“, sagte der Friedensnobelpreisträger mit Blick auf die enttäuschten Demonstranten in Kairo. „Die Armee muss jetzt das Land retten“, sagte ElBaradei über Twitter. „Ich rufe die ägyptische Armee auf, sofort einzugreifen.“

Vizepräsident Suleiman hingegen forderte nach Mubaraks Rede ein Ende der Proteste. In einer eigenen vom Fernsehen übertragenen Ansprache rief der Vizepräsident die Demonstranten auf, nach Hause zu gehen. Ägyptens Botschafter in den Vereinigten Staaten, Sameh Schukri, nannte Suleiman im US-Sender CNN einen „De-facto-Präsidenten“. Mubarak habe die gesamte Macht an ihn abgegeben. Auf die Frage, ob Mubarak somit keine Macht mehr habe, sagte er , dies könne „so interpretiert“ werden.

Das Ausland zeigt sich enttäuscht

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte enttäuscht auf die Rede Mubaraks. Sie habe keine neuen Perspektiven aufgezeigt, „sie war nicht der erhoffte Schritt nach vorn“, sagte Westerwelle. Er fürchte, dass die Rede keine befriedende Wirkung entfalten werde. Im ZDF-“Morgenmagazin“ bot Westerwelle Ägypten eine „Transformationspartnerschaft“ mit Deutschland und der EU an.

US-Präsident Barack Obama forderte einen „unmissverständlichen“ Weg hin zu einer Demokratisierung. EU-Außenministerin Catherine Ashton verlangte einen umgehenden Machtwechsel. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy warnte vor einer Machtübernahme durch religiöse Fundamentalisten. Der britische Außenminister William Hague forderte einen „schnellen, aber geordneten Wandel“. (afp, dapd)