Berlin. Die Deutsche Polizeigewerkschaft schlägt Alarm: Eine Ausreise Mubaraks nach Deutschland wäre eine Hiobsbotschaft. Die Polizei habe keine Reserven für den Schutz des ägyptischen Präsidenten. Zudem fürchtet der Verband massive Proteste.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warnt davor, den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak nach Deutschland ausreisen zu lassen. „Das wäre eine echte Hiobsbotschaft für die Polizei, die nicht nur für die Schutzmaßnahmen zu sorgen hätte, sondern mit umfangreichen Protesten rechnen müsste“, sagte Verbandschef Rainer Wendt „Handelsblatt Online“.

Wendt reagierte damit auf Überlegungen mehrerer deutscher Politiker, dem ägyptischen Präsidenten eine Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen, sofern sich der 82-Jährige einer medizinischen Untersuchung unterziehen müsse. Wieder einmal zeige sich, dass es nahezu „keine Reserven“ gebe und sich die Polizei bei zusätzlichen Aufgaben überlegen müsse, welche anderen Verpflichtungen entbehrlich seien, kritisierte Wendt. Zwangsläufig komme es dann immer mehr zu Einschränkungen beim täglichen Dienst. Die Menschen vermissten die Polizei im Streifendienst und müssten immer länger auf Einsatzkräfte warten.

„Exil Mubaraks in Deutschland wäre problematisch“

Mehrere deutsche Politiker haben derweil weiter für eine vorübergehende Aufnahme Mubaraks in Deutschland geworben. „Die Bundesregierung sollte Mubarak diskret signalisieren, dass er nach Deutschland kommen kann, wenn er das will“, sagte der Europa-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) der „Frankfurter Rundschau“. „Wenn das ein Weg ist, den Übergang in Ägypten friedlich zu gestalten, dann sollte man das machen.“ Brok erinnerte daran, dass der gestürzte georgische Präsident, Eduard Schewardnadse, im Jahr 2003 ein ähnliches Angebot erhalten habe. Schewardnadse ging darauf aber nicht ein.

Ähnlich wie Brok äußerten sich dem Bericht zufolge auch andere Politiker der schwarz-gelben Koalition. Allerdings schlugen sie nur vor, Mubarak eine medizinische Untersuchung in Deutschland zu gewähren, auf die eine längere Reha-Phase folgen könne. Damit würde verhindert, dass Mubarak sich in offiziellem Exilstatus in Deutschland aufhielte. Der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner sagte der Zeitung, ein Aufenthalt aus medizinischen Gründen sei in Ordnung. Ein Exil in Deutschland hingegen „wäre sehr problematisch“. Für Mubarak gebe es andere mögliche Aufnahmeländer. „Wir müssen uns da nicht vordrängeln“, mahnte Stinner. Zudem müssten zunächst Vorwürfe geklärt werden, wonach Mubarak Milliardenwerte in Deutschland gebunkert haben soll.

Menschenaktivisten drohen mit Klagen

Sollte Mubarak nach Deutschland kommen, drohen Menschenrechtsaktivisten bereits mit Klagen. Der Generalsekretär des European Center For Constitutional and Human Rights (ECCHR), Wolfgang Kaleck, sagte der „Frankfurter Rundschau“: „Man muss davon ausgehen, dass in Ägypten in den letzten Jahren oder Jahrzehnten massiv gefoltert wurde und dass das unter Mubaraks rechtlicher Verantwortung geschah.“ Nach Inkrafttreten des deutschen Völkerstrafgesetzbuches seien die deutschen Behörden verpflichtet, eine Strafverfolgung aufzunehmen, wenn Verdächtige sich in Deutschland aufhielten. Kaleck hatte bereits mit seiner Strafanzeige gegen den früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld für Furore gesorgt.

Mubarak hat indes einen Ausschuss für Verfassungsreformen einberufen. Vizepräsident Omar Suleiman erklärte am Dienstag, der Ausschuss solle die Voraussetzungen für eine Präsidentschaftskandidatur lockern und die Zahl der Amtszeiten des Präsidenten begrenzen. Mubarak habe außerdem ein weiteres Komitee einberufen, das die Umsetzung der Reformen überwachen soll. Es sind die ersten konkreten Schritte des langjährigen autokratischen Präsidenten zur Umsetzung der Reformen, die während der Proteste der vergangenen zwei Wochen zugesagt wurden.

Google-Manager wieder frei

Ein vor knapp zwei Wochen in Kairo festgenommener Google-Manager kam unterdessen wieder frei. Wenige Stunden nach seiner Freilassung gab der junge Ägypter am Montag ein emotionales Fernsehinterview, in dem er beschrieb, wie er vor zwölf Tagen von vier Männern auf offener Straße überwältigt und zur ägyptischen Staatssicherheit gebracht wurde. Während seiner gesamten Inhaftierung seien ihm die Augen verbunden gewesen, gefoltert worden sei er aber nicht.

Er bezeichnete seine Verhaftung als Entführung und ein Verbrechen, gab sich aber versöhnlich. Dies sei nicht die Zeit, Rechnungen zu begleichen, sagte er. Zugleich verwahrte er sich wiederholt dagegen, als Held bezeichnet zu werden. Alle auf der Straße seien Helden, erklärte der Marketing-Manager.

Menschenrechtler: 297 Tote bei Protesten

Der junge Mann, der in Dubai lebt, steht nach eigener Aussage hinter der Facebook-Seite „Wir sind alle Chaled Said“, auf der die Jugendlichen des Landes seit dem 25. Januar zu den täglichen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in der Kairoer Innenstadt aufgerufen werden. Der Name der Seite bezieht sich auf einen 28-jährigen Blogger, der im Juni in Alexandria von zwei Polizisten in Zivil auf offener Straße zu Tode geprügelt wurde.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch teilte mit, die zweiwöchigen Proteste hätten bislang mindestens 297 Menschen das Leben gekostet. Die Zahl der Todesopfer werde aber vermutlich noch steigen. (dapd/afp)