Berlin. .

Nach Kritik vom Bundesrechnungshof an der Wirksamkeit von Ein-Euro-Jobs hat die Regierung angekündigt, die Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Die Opposition verlangt ein Umdenken.

Fünf Jahre nach der Hartz-Reform stellt die Regierung die umstrittenen Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose auf den Prüfstand. Nach heftiger Kritik des Bundesrechnungshofs erklärte das Sozialministerium am Montag, dies sei Teil der Überprüfung des öffentlichen Beschäftigungssektors im nächsten Jahr. „Wir planen eine Neuordnung zum 1. Januar 2012“, sagte eine Sprecherin. Ob die hunderttausendfach genutzten Billigjobs erfolgreich seien, dazu gebe es noch „keine abschließende Evaluierung“.

Der Bundesrechnungshof hatte einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge eklatante Mängel angeprangert. Die Vergabe von Ein-Euro-Jobs durch die Jobcenter erhöhe meist nicht die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt, zitiert die Zeitung aus einem internen Bericht. Der Rechnungshof bestätigte auf dapd-Anfrage die Existenz des Berichts und grundsätzlich auch die Kritik, nannte aber keine Einzelheiten.

Beiräte sollen ordnungsgemäße Vergabe sichern

Eine Sprecherin des Sozialministeriums sagte, der Bericht datiere vom August 2010. Doch stehe die offizielle Stellungnahme des Ministeriums noch aus. Deshalb kommentierte sie die Kritik inhaltlich nicht. „Grundsätzlich kann man sagen, dass die Ein-Euro-Jobs stark genutzt werden“, sagte die Sprecherin. Sie sprach von 280.000 Ein-Euro-Jobs bundesweit 2009. Die Kosten beziffert die Bundesagentur für Arbeit auf 1,7 Milliarden Euro.

Die BA in Nürnberg erklärte auf Anfrage: „Wir überprüfen alles, was der Rechnungshof kritisiert und nehmen das ernst.“ Dem Bericht vom August lägen allerdings Zahlen von 2008 zugrunde. Seither habe die BA einiges verändert. „Heute wären die Ergebnisse auf jeden Fall besser“, sagte BA-Sprecher Kurt Eikemeier. Er bezog sich unter anderem auf seit 2009 eingeführte Beiräte, die die ordnungsgemäße Vergabe von Ein-Euro-Jobs sichern sollen.

Verdrängen Ein-Euro-Jobs normale Stellen?

Kritik an den „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ gibt es seit Jahren. Knackpunkt ist die Frage, ob sie normale Stellen verdrängen und ob sie die Chancen der Arbeitslosen erhöhen. Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund hatte auch der Rechnungshof sie bereits in der Vergangenheit ins Visier genommen.

In dem neuen Bericht bemängeln die Rechnungsprüfer laut „SZ“, dass bei mehr als der Hälfte der geprüften Fälle die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung fehlten. Außerdem werde kritisiert, dass Jobcenter nach wie vor meist wahllos Arbeitsgelegenheiten zuwiesen, ohne die Hilfsbedürftigen weiter zu beraten und individuelle Ziele für die Teilnahme festzulegen.

Gewöhnung an regelmäßige Arbeit

Die Sprecherin des Sozialministeriums sagte, Hauptziel der Ein-Euro-Jobs sei es, die Menschen zu „aktivieren“. Experten verstehen darunter, dass Arbeitslose sich wieder an regelmäßige Beschäftigung und geregelte Tagesabläufe gewöhnen. Auch BA-Sprecher Eikemeier sagte, etwa 80 Prozent der Ein-Euro-Jobber hätten schwerwiegende Vermittlungshemmnisse. „An denen muss erstmal gearbeitet werden.“

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hatte die Ein-Euro-Jobs im Frühjahr 2010 ebenfalls unter die Lupe genommen und ihnen nur mäßige Wirksamkeit bescheinigt. Demnach erhöhten sich die Chancen auf reguläre Beschäftigung für Männer in Ostdeutschland „nicht nachweisbar“. Bei westdeutschen Frauen sah die Bilanz nur wenig besser aus. 28 Monate nach Beginn eines Ein-Euro-Jobs hatten sie eine Chance von 23 Prozent auf Beschäftigung. Ohne den Ein-Euro-Job lag ihre Beschäftigungschance bei 20 Prozent.

Opposition verlangt Abkehr von bisheriger Regelung

Auch die Opposition verlangt eine Abkehr von der bisherigen Praxis der Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil plädierte am Montag in Berlin dafür, Ein-Euro-Jobs nur noch als freiwilliges Angebot aufrechtzuerhalten. Linksparteichef Klaus Ernst forderte die Abschaffung des Instruments.

Ernst kritisierte, indem der Staat Langzeitarbeitslose in Ein-Euro-Jobs „jage“, würden reguläre Arbeitsverhältnisse „nicht nur behindert, sondern verhindert“. Es sei offensichtlich so, dass damit „vernünftige Jobs“ vernichtet würden. Die Alternative zu den Ein-Euro-Jobs sei eine öffentlich geförderte gemeinnützige Beschäftigung zu Tariflöhnen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte, es dürfe nicht passieren, dass normale Arbeitsverhältnisse durch Ein-Euro-Jobs ersetzt werden. Nach dem Gesetz sei dies auch verboten. Eine solche Entwicklung zu verhindern, sei eine „Frage der Praxis“ und der besseren Kontrolle. Die Forderung, Ein-Euro-Jobs komplett abzuschaffen, wies Gabriel zurück.

Gemeinnützige Arbeitsgelegenheit keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt

Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Heil, stellte indessen fest, gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten seien „im Wesentlichen keine Brücken in den ersten Arbeitsmarkt“, könnten aber Langzeitarbeitslosen kurzfristig helfen. „Zukünftig sollten sogenannte Ein-Euro-Jobs als freiwilliges Angebot an Langzeitarbeitslose bestehen bleiben“, sagte Heil.

Die Parteien reagierten damit auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der die Praxis der Ein-Euro-Jobs scharf kritisiert. Demnach sind die Jobs in der Mehrzahl weder gemeinnützig, noch erhöhen sie die Chancen der Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt.

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Konsequenzen aus dieser Kritik. Herausforderung sei es, zukunftsträchtige und würdige Arbeitsplätze zu schaffen. Man müsse überlegen, wie man die Idee der Ein-Euro-Jobs in würdige Arbeitsverhältnisse überführen könne. (dapd)