Berlin. .

Musterländle Deutschland: Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen sinken. Dennoch warnen die fünf Wirtschaftsweisen: Der Aufschwung kann schnell vorbei sein. Sie fordern daher von der Regierung weitere Anstrengungen.

Deutschland katapultiert sich aus der Wirtschaftskrise: 3,7 Prozent Wachstum dieses und 2,2 Prozent Wachstum nächstes Jahr sagen die fünf Wirschaftsweisen in ihrem am Mittwoch vorgestellten Herbstgutachten voraus. Sollte das so kommen, dann hätte Deutschland Ende 2011 das tiefe Tal, das die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 riss, wieder aufgeholt - immerhin drei Jahre, um auf Vorkrisenniveau zu kommen.

Deutschland ist damit besonders glimpflich davon gekommen. Die Wirtschaft in vielen anderen europäischen Nachbarländern tut sich ungleich schwerer. Es gibt handfeste Gründe, warum Deutschland die Krise deutlich besser gemeistert hat:

EXPORT: „Made in Germany“ ist und bleibt gefragt. Deutschland konnte 2010 seine Exportstärke wieder voll ausspielen. Um über 12 Prozent nahmen die Ausfuhren wieder zu und glichen damit fast den Einbruch 2009 wieder aus. Die Experten loben: Die deutschen Unternehmen sind durch ihre Innovationen und Rationalisierungen der letzten Jahre gut aufgestellt. So konnten sie vom Aufschwung des Welthandels besonders profitieren.

ARBEITSMARKT: Die Kurzarbeiterregelung der Bundesregierung verhinderte die befürchtete Entlassungswelle in den Unternehmen. 1,2 Millionen Jobs soll die Kurzarbeit im Jahr 2009 gerettet haben, schrieb das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Frühjahr. Zwar war die Kurzarbeit teuer für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Allerdings blieben so die Fachkräfte an Bord, die jetzt Aufschwung wieder gebraucht werden. Die Unternehmen schaffen aber auch neue Arbeitsplätze. 2010 gibt es 196.000 Erwerbstätige mehr als 2009. Allerdings handelt es sich dabei auch um viele Leiharbeitsplätze, befristete Job und Minijobs. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland war im Oktober 2010 unter drei Millionen Euro gesunken.

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BINNENNACHFRAGE: Erstmals seit Jahren ist nicht mehr nur der Export die treibende Kraft des Aufschwungs. Auch die so genannte Binnennachfrage - private und staatliche Konsumausgaben, Investitionen - zieht stark an. Das hat mehrere Gründe. Erstens hatten die Menschen wegen der Kurzarbeit zwar weniger Geld, aber sie mussten nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten. Das kurbelt den Konsum an. Zweitens ist das Zinsniveau niedrig wie lange nicht, was Investitionen und Anschaffungen günstiger macht. Hinzu kommt, so die Sachverständigen, dass es trotz Finanzkrise keine Kreditklemme für die Unternehmen gab.

TARIFPOLITIK: Die Sachverständigen loben die moderate Tarifpolitik der vergangenen Jahre. Gerade in der Krise hätten die Tarifparteien auf Beschäftigungssicherung gesetzt. Für die nächsten Tarifverhandlungen deuten sich jedoch deutlichere Tariflohnsteigerungen an. Bei den Beschäftigten dürfte davon sogar etwas hängen bleiben (Reallohnzuwachs), weil gleichzeitig die Inflation niedrig bleibt. Auch das sollte der Kaufkraft und damit der Binnennachfrage zu gute kommen.

WIRTSCHAFTSPOLITIK: Die Hartz-Gesetze der rot-grünen Bundesregierung haben nach Meinung der Sachverständigen ebenfalls dazu beigetragen, dass sich der Arbeitsmarkt recht krisensicher gezeigt hat. Hinzu kommt die oben genannte Kurzarbeiterregelung, die die Große Koalition beschlossen hatte. Auch die nicht unumstrittenen Konjunkturprogramme (z.B. Abwrackprämie) dürften zumindest einen Teil beigetragen haben.

Die Risiken des Aufschwungs

Die jetzige Erholung ist kein Selbstläufer. Von einem Wirtschaftswunder in Deutschland kann keine Rede sein, betonen die Wirtschaftssachverständigen in ihrem Bericht. Schon im nächsten Jahr, so prognostizieren die Experten, wird sich das Wachstum etwas verlangsamen. Noch immer gibt es genügend Risikofaktoren für die deutsche Wirtschaft. Die Wirtschaftsweisen warnen vor folgenden Entwicklungen:

1. Die Konjunkturschwäche in anderen Ländern könnte auch für das exportstarke Deutschland zum Problem werden. Wegen hoher Arbeitslosigkeit könnte die Nachfrage auch nach deutschen Produkten sinken.

2. Der Sparzwang der Regierungen im Euro-Raum könnte diese Entwicklung noch forcieren.

3. Die Finanzkrise ist noch nicht überwunden. In vielen Bankbilanzen schlummert noch riesiger Abschreibungsbedarf.

4. Der sich anbahnende „Währungskrieg“ zwischen den USA und China sowie die inflationäre Geldpolitik der USA bergen Risiken für die deutsche Wirtschaft. Wegen des weichen Dollars droht eine Aufwertung des Euro. Das wiederum würde deutsche Waren im Ausland teuerer machen und den Export bremsen.