Washington. .
Nach den herben Verlusten bei den Kongresswahlen muss Obamas der Opposition die Hand zur Zusammenarbeit reichen. Doch Teile der siegreichen Republikaner legen es auf Fundamentalopposition an.
Nur zwei Jahre nach Barack Obamas gefeiertem Sieg bei der US-Präsidentenwahl haben die Wähler seiner demokratischen Partei einen herben Denkzettel verpasst. Bei den als Referendum über die bisherige Amtszeit Obamas geltenden Kongresswahlen verzeichneten die Republikaner einen erdrutschartigen Sieg im Repräsentantenhaus. Die Demokraten stellen aber weiter die Mehrheit im Senat und kamen also mit einem blauen Auge davon. Obama muss bis zur nächsten Präsidentenwahl 2012 nun mit einem weitaus konservativer besetzten Kongress arbeiten, in dem etliche Mitglieder der Tea-Party-Bewegung vertreten sind.
Obama geht auf politische Gegner zu
Das Wahlergebnis sei „eine Zurückweisung Washingtons, eine Zurückweisung der umfangreichen Regierung und eine Zurückweisung von Politikern, die sich weigern, den Menschen zuzuhören“, sagte der designierte republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner. Obama gratulierte ihm und dem Parteichef der Republikaner, Mitch McConnell, am Mittwochmorgen telefonisch zum Gewinn der Mehrheit. Nach Angaben des Weißen Hauses äußerte der Präsident die Hoffnung, mit den Republikanern „Gemeinsamkeiten zu finden, das Land vorwärtszubringen und die Dinge für das amerikanische Volk zu erledigen“.
Im Repräsentantenhaus gewannen die Republikaner, getragen von Zugewinnen der erzkonzservativen Tea Party, mindestens 59 Sitze hinzu; 40 hätten für die Mehrheit gereicht. Sie werden künftig mindestens 237 der 435 Abgeordneten stellen, bisher waren es 178 gewesen. Zudem lagen Republikaner in sechs Bezirken in Führung. Im Senat sicherten sich die Republikaner mindestens sechs bislang von Demokraten gehaltene Sitze. Für die Mehrheit wären zehn zusätzliche Mandate nötig gewesen. Aus drei Staaten lagen am Mittwochmorgen zunächst noch keine Ergebnisse vor. Gewählt wurden am Dienstag alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus, im Senat 37 der 100 Senatoren. Zudem wurden in 37 Staaten neue Gouverneure gewählt.
„Eine Tea-Party-Flutwelle“
Ein führender Politiker der Tea-Party-Bewegung, Rand Paul, sagte nach seinem Sieg bei der Wahl des Senatssitzes von Kentucky: „Heute Nacht gibt es eine Tea-Party-Flutwelle.“ Für die Republikaner war das Wahlergebnis das beste seit mehr als sieben Jahrzehnten. Sollten sich alle in Führung liegenden Kandidaten der Partei durchsetzen, wäre es der größte Zugewinn seit 1938, als die Republikaner 80 Sitze dazugewannen. Obama und den Demokraten waren dagegen schon in Umfragen große Verluste prognostiziert wurden, vor allem wegen einer großen Unzufriedenheit mit der Wirtschaftslage, der unvermindert hohen Arbeitslosigkeit und zentralen Politikfeldern wie der Gesundheitsreform.
„Die neu gewählte Gruppe von Republikanern im Repräsentantenhaus und Senat wird es nicht als ihre Mission ansehen, Kompromisse und Vereinbarungen mit Präsident Obama zu schließen“, sagt Experte Ethan Siegal von The Washington Exchange. „Es geht ihnen vielmehr darum, seine verbliebene Agenda zu zerstören und die Reformen des Gesundheitssystems des Finanzmarkts rückgängig zu machen.“
Experten sehen dabei auch den Präsidenten in der Pflicht, sich an die neuen politischen Realitäten anzupassen. Dan Ripp von Bradley Woods erwartet einen Rechtsruck im Kongress entsprechend der politischen Stimmung im Lande. „Der Präsident müsste dann entscheiden, ob er gemäßigter wird und mitarbeitet.“ Bislang sei nicht abzusehen, wie sich Obama verhalten werde, sagt Ripp. „Wir werden es herausfinden.“
Die Wahlen in den USA
Allerdings könnte die Tea Party, die den Erfolg der Republikaner mitgetragen hat, mit ihren oft kontrovers diskutierten Kandidaten auch für Niederlagen in entscheidenden Rennen verantwortlich sein. Politiker der ultrakonservativen Bewegung hatten teilweise aussichtsreiche andere republikanische Bewerber bei den Vorwahlen besiegt, und könnten in ihren Ansichten den Wählern dann doch zu extrem gewesen sein.
Unmut und Enttäuschung über Obama
In Nevada behauptete der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Harry Reid, seinen Sitz gegen die Tea-Party-Kandidatin Sharron Angle. Bei der Senatswahl in Delaware verlor Tea-Party-Kandidatin Christine O“Donnell gegen den demokratischen Kandidaten Chris Coons. Der bislang von Vizepräsident Joe Biden gehaltene Sitz bleibt damit der Partei Obamas erhalten. Eine empfindliche Schlappe erlitten die Demokraten in Illinois: Sie verloren dort den bis 2008 von Obama gehaltenen Senatssitz.
Vor allem im Repräsentantenhaus sorgten offenbar Wählerunmut und Enttäuschung über Obama für einen Durchmarsch der Republikaner und deren Tea-Party-Flügel. Fast vier von zehn in Umfragen befragten US-Bürger sagten, ihnen gehe es finanziell schlechter als vor zwei Jahren, als Obama sein Amt antrat. Die Republikaner hatten erbittert zentrale politische Entscheidungen Obamas bekämpft, darunter das milliardenschwere Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft, die Gesundheitsreform und eine strengere Kontrolle der Finanzmärkte nach dem Beinahezusammenbruch der Wirtschaft 2008. Im Wahlkampf setzten sie auf die Angst der Menschen angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und des steigenden Defizits und prangerten die Einflussnahme des Staates an.
Demokratische Erfolge in New York und Kalifornien
Die Demokraten behaupteten unter anderem in Connecticut einen Senatssitz, in dem die Republikaner aussichtsreich im Rennen lagen. In New York gewann nach Informationen der Nachrichtenagentur AP die demokratische Kandidatin Kirsten Gillibrand den Sitz, den sie von Außenministerin Hillary Clinton per Ernennung übernommen hatte. Ebenfalls in New York behauptete der demokratische Senator Charles Schumer seinen Sitz. In Vermont und Maryland triumphierten die demokratischen Bewerber Patrick Leahy und Barbara Mikulski.
Als möglicherweise entscheidend für den Erhalt der demokratischen Mehrheit im Senat galt der Sieg des demokratischen Kandidaten Joe Manchin in West Virginia und der demokratischen Amtsinhaberin Barbara Boxer in Kalifornien. Prestigeträchtig war auch die Wahl des Demokraten Edmund Brown zum Nachfolger von Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten durfte.
Ohne eine Mehrheit seiner Partei im Kongress wird es für Obama künftig schwieriger, politische Vorhaben in die Tat umzusetzen. Obwohl innenpolitische Themen den Wahlkampf beherrschten, könnte eine republikanische Mehrheit im Kongress aber auch Folgen für wichtige außenpolitische Ziele Obamas bei Abrüstung und Klimawandel haben. Die unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern des Kongresses stellen die beiden Parteien vor die Entscheidung, eine Politik der Kompromisse und der Kooperation zu machen - oder sich gegenseitig zu blockieren. (dapd/rtr)