Amerikas Wähler haben ein kurzes Ge­dächtnis. Weder hat Präsident Barack Obama die Immobilienpleite auf dem US-Häusermarkt noch den Banken-Crash oder gar die weltweite Rezession zu verantworten. Doch bei den anstehenden Halbzeitwahlen wird ihm dies wenig helfen.

Eine Wutwelle droht sich zu entladen. Amerikas Wähler sind wütend und frustriert, dass die Wirtschaft trotz milliardenschwerer Konjunkturprogramme nicht Tritt fasst und die Arbeitslosigkeit auf erschreckend hohem Niveau bleibt. Ihren Zorn laden sie beim Amtsinhaber im Weißen Haus ab. Dass ohne Obamas Konjunkturspritzen die Lage in den USA heute noch weit düsterer aussehen würde, dürfte bei der Wahlentscheidung kaum eine Rolle spielen.

Barack Obama muss sich bei den Halbzeitwahlen am „Super-Tuesday“ auf eine herbe Ohrfeige gefasst machen. Die Kongress-Wahl, bei der das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu besetzt werden, ist tatsächlich in erster Linie eine Abstimmung über den Kurs des amtierenden Präsidenten.

Rückschläge für den Präsidenten in der Mitte der Amtszeit sind politische Normalität in Amerikas ausbalancierter Demokratie. Doch zur Tagesordnung wird Obama kaum übergehen können, wenn sich der Sturm – wie prophezeit – zum politischen Tsunami auswachsen sollte. Mehr als bislang wird er gezwungen sein, in die politische Mitte zu rücken. Reformwerke von Immigration bis Klimaschutz, die noch auf der Agenda stehen, haben in diesem Fall keine Chance auf Umsetzung mehr. Politisches Kleinklein, die Suche nach dem kleinsten politischen Nenner, im schlimmsten Fall Stagnation werden dann Amerikas politischen Alltag prägen. Das wäre eine schlechte Nachricht, auch für Amerikas Freunde in der westlichen Welt.