Washington. .
Bei den Halbzeitwahlen in den USA musste Präsident Barack Obama die erwartete Schlappe hinnehmen. Die Republikaner in den USA haben nach vier Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert.
Russ Feingold aus Wisconsin muss seinen Schreibtisch im Senat räumen. Und auch Blanche Lincoln aus Bill Clintons Heimatstaat Arkansas wird ihre Regale im Oberhaus des US-Parlaments in Kürze leermachen müssen. Klar und deutlich hatten Amerikas zornige Wähler den beiden demokratischen Senatoren die rote Karte gezeigt. Auf beide hatte Obama bauen können, als er seine hoch umstrittene Gesundheitsreform durchs Palament peitschte. Das wurde Feingold und Lincoln nun zum Verhängnis.
Nicht nur in Wisconsin und Arkansas jagten die Republikaner den Demokraten Obamas Senatssitze ab. Selbst Ohio und Pennsylvania, zwei Schlüsselstaaten für die Präsidentschaftswahl 2012, gingen verloren. Bei den so genannten Midterms rauschte eine Wutwelle übers Land, die Amerikas politische Landkarte in rot, der Parteifarbe der Republikaner, einfärbte.
Politisches Erdbeben
Die Wahlen in den USA
Weit über 50 Sitze eroberten die Republikaner überdies im 435-köpfigen Abgeordnetenhaus und lösten damit die Demokraten als stärkste Fraktion ab. Künftig werden sie den „Speaker“, den Parlamentspräsidenten, stellen, der nach Präsident und Vize-Präsident protokollarisch die Nummer 3 im Staat ist. Favorit für diesen Posten ist der bodenständige Republikaner John Boehner, der seinen Senatssitz in Ohio souverän gewann.
Zwei Jahre nach dem triumphalen Wahlerfolg Barack Obamas schlug das Pendel gestern in die andere Richtung aus. Ein vergleichbares politisches Erdbeben hatten die USA zuletzt vor 16 Jahren erlebt. Damals verlor Bill Clinton ähnlich dramatisch in der amerikanischen Länderkammer. Clintons politischen Ambitionen waren damit über Nacht gestutzt worden.
Obamas Spielraum verengt
Auch Obama, Clintons Parteifreund, muss nun damit leben, dass kaum zwei Jahre nach Amtsantritt die Wähler seine Politik massiv zurückweisen. Obamas politischer Spielraum hat sich seit gestern Nacht dramatisch verengt, auch wenn zumindest der schlimmste aller denkbaren Fälle am Ende dann doch nicht eintrat. Auch noch die Mehrheit im Senat, der kleineren Kammer des Parlaments, zu erobern, blieb den Republikanern am Ende versagt.
Spät in der Nacht, als das Ergebnis aus Kalifornien eintraf, waren die kühnsten Träume der Konservativen ausgeträumt. Amtsinhaberin Barbara Boxer hatte sich am Ende gegen ihre republikanische Rivalin durchgesetzt und damit ihren Präsidenten an der fernen Ostküste vor dem größten anzunehmenden Debakel bewahrt. Auch den Gouverneur werden Obamas Demokraten im Golden State, der bislang von Muskelmann Arnold Schwarzenegger (Republikaner) regiert wurde, wieder stellen. Trost waren solche Nachrichten in einer Nacht der langen Messer.
Ernüchternde Erkenntnis
Erst am heutigen Nachmittag will Obama das Deaster der Nacht auch öffentlich kommentieren. Bis dahin haben sich auch seine Zuarbeiter einen Maulkorb verordnet. Obamas Stab muss schwere Kost verarbeiten. Die Wechselwähler, die Frauen und Wähler mit Hochschulabschluß, die vor zwei Jahren noch Obama ihre Stimme gegeben hatten, waren mit fliegenden Fahnen zu den Republikanern übergelaufen. In Wahlbezirken, die demokratische Kandidaten im Zuge der Obama-Euphorie vor zwei Jahren noch souverän gewonnen hatten, triumphierte diesmal die republikanische Konkurrenz. Der massive, wochenlange Einsatz des Präsidenten für bedrängte Kandidaten seines Lagers vor Ort zeigte kaum Früchte, eine ernüchternde Erkenntnis.
Selbst Wahlerfolge wie im umkämpften West Virginia hatten für das Weiße Haus einen Beigeschmack. In dem armen Kohlestaat setzte sich Senats-Kandidat Joe Manchin durch, ein Demokrat der rustikal-handfesten Sorte, der im Wahlkampf demonstrativ mit einem Gewehr auf Obamas Klimagesetz schoss. Verbündete stellt man sich eigentlich anders vor.
Tea-Party zeigt Stärke
Aber auch die Republikaner, die zwei Jahre nach ihrer vernichtenden Niederlage plötzlich wieder obenauf sind, werden eine ganze Reihe der neuen Kollegen in Senat und Repräsentantenhaus eher misstrauisch beäugen. Kandidaten der erzkonservativen Tea-Party, die sich bei den parteiinternen Vorwahlen gegen die Kandidaten des Partei-Establishments durchgesetzt hatten, zeigten ihre Stärke. Rand Paul aus Kentucky und Marco Rubin aus Florida, dem viele im Land eine große politische Zukunft voraussagen, kündigten nach ihren Wahlerfolgen noch in der Wahlnacht an, mit der Politik alter Prägung Schluss machen zu wollen. Ihr Sieg sei auch eine „zweite Chance“ für die Republikaner, meinte Rubin. Es klang wie eine Kampfansage an die eigene Partei.
Die Sorge um die wirtschaftliche Lage vor allem hatte Amerikas Wähler in erster Linie angetrieben, diesmal die Republikaner zu wählen. Die Erhebungen der Meinungsforscher werden Obama zu denken geben müssen. Die Unzufriedenheit mit seiner Politik wächst dramatisch. Fast zwei Drittel der Wähler sehen Amerika auf einem falschen Weg. „Wir werden uns unser Land, unsere Regierung zurückholen.“, sagte Rand Paul, der neue Senator aus Kentucky, in seiner Dankesrede. „Allzu lange hat Washington gemacht, was gut für Washington war. Der Wandel beginnt heute Nacht“, drohte Boehner. Change, Wandel – das war einmal das Versprechen Obamas. Jetzt, knapp zwei Jahre danach, haben die Republikaner diesen Begriff besetzt.