Washington. .

Dem US-Präsidenten droht eine schwere Wahlniederlage. Inzwischen sagt er selbst sein „Yes, we can“ nicht mehr ohne erläuternden Nebensatz. Was ist da eigentlich passiert?

US-Präsident Barack Obama droht bei den Kongress-Wahlen am Dienstag eine herbe Niederlage seines politischen Lagers. In Europa mag das Ansehen des ersten schwarzen US-Präsidenten nach wie vor hoch sein. Zuhause hat Obama seinen strahlenden Nimbus längst eingebüßt. Amerikas Wähler sind frustriert und zornig, dass die Wirtschaft nicht in Gang kommt und die Arbeitslosigkeit seit Monaten unverändert hoch bei knapp unter zehn Prozent liegt. Dies lasten sie dem Chef im Weißen Haus an.

Obama muss sich daher auf schwere Zeiten einstellen. Selbst wenn die Niederlage bei den Halbzeitwahlen am Ende weniger drastisch als prophezeit ausfallen sollte, verliert der Präsident seine Gestaltungsmehrheit im Kongress.

Bislang haben Obamas De­mokraten in beiden Kammern des Parlaments eine Mehrheit. Im Abgeordnetenhaus mit seinen 435 Sitzen werden allen Prognosen zufolge die Republikaner als stärkste Fraktion einziehen. Dass sie auch die Mehrheit der Sitze im 100-köpfigen Senat gewinnen, scheint indes eher unwahrscheinlich. 37 Senatoren werden am Dienstag neu gewählt.

Das Klima ist vergiftet

In jedem Fall wird Obama gezwungen sein, auf die Konservativen zuzugehen, um etwa seinen Haushalt durchzubringen. Leicht wird das weder der einen noch der anderen Seite fallen. Das politische Klima ist vergiftet. Der aggressive Wahlkampf, den sich beide Lager rund zwei Milliarden Dollar kosten ließen, hat die Gräben noch weiter vertieft. Überdies wird die Wahl gleich eine ganze Riege von erzkonservativen Tea-Party-Aktivisten ins Parlament spülen, die kaum politisch erfahren sind, sich aber auf die Fahnen geschrieben ha­ben, Washingtons Zuständigkeiten radikal zu beschneiden.

In Europa mag man sich die Augen reiben, wie es in zwei Jahren zu so einem dramatischen Stimmungsumschwung kommen konnte. Das hat tatsächlich viel zu tun mit den Nachwehen der globalen Re­zession, die Amerika weit härter treffen als Europa. Es hat aber auch zu tun mit einem Präsidenten, der nach Ansicht seiner Landsleute in der Krise die falschen Prioritäten ­setzte. Obamas episches Rin­gen für eine Gesundheitsreform hat sowohl Wechselwähler, als auch linke Anhänger verprellt.

Das Ende des amerikanischen Traums?

Zwar haben die milliardenteuren Konjunkturprogramme, die Obama an­schob, einen weit schlimmeren Absturz verhindert. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich die Meinung durchgesetzt, dass die Mittel weithin verpufft sind und nur das horrende Staatsdefizit weiter in die Höhe geschraubt haben. Vor allem die Mittelklasse fürchtet nun den sozialen Ab­sturz und das Ende des amerikanischen Traums, der Aufstiegschancen all jenen versprach, die nur hart genug arbeiteten.

Obama hat dieser Stimmung wenig entgegenzusetzen. Auf Wahlveranstaltungen warb er um Geduld. „Ja, wir können es, aber das braucht Zeit“, relativierte er den Slogan aus der Zeit des Präsidentschaftswahlkampfes.

Verlieren hat Tradition

Eine Niederlage zur Halbzeit muss für Obama nicht das Ende bedeuten. Dass neue Präsidenten bei den nachfolgenden Kongresswahlen abgewatscht werden, hat Tradition. Clinton oder Reagan ging es ähnlich. Wiedergewählt wurden am Ende beide. Auch Obama eröffnet der erwartete Triumph der Opposition die Chance zu einem Neuanfang.

Er wird sich wandeln müssen, um politisch noch etwas zu bewegen. Doch machtlos ist ein Präsident auch ohne Mehrheit noch längst nicht. Im Ansehen thront ein Präsident weit über dem Kongress. Das gibt ihm die Chance, Debatten zu lenken und Druck auf das Parlament zu machen. An Po­pularität mag Obama erheblich eingebüßt haben. Aber das An­sehen des zänkischen Kongresses ist noch ein paar Kellertreppen tiefer anzusiedeln.