Frankfurt/Main. .

Thilo Sarrazin will die „Anklage“ von SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht stehen lassen. In einem Gastbeitrag setzt er zum Gegenschlag an. Gabriels Kritik sei „unzulässig und ehrabschneidend“. Die SPD-Spitze könne nicht lesen, wettert er.

Thilo Sarrazin wehrt sich gegen die Schelte von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dieser stilisiere ihn zu einem Wegbereiter von Hasspredigern, weil er von der Evolutionsbiologie nicht schweigen wolle, schreibt Sarrazin in einen Gastbeitrag für „faz.net“. Gabriel verfälsche seine Thesen zur Sozialpolitik. Die SPD-Spitze könne nicht lesen, wettert SPD-Parteimitglied und Noch-Bundesbank-Vorstand Sarrazin.

„Unzulässig und ehrabschneidend“

„Mich mit dem Hinweis, ich sei ‘Eugeniker’, politisch stigmatisieren zu wollen ist unzulässig und ehrabschneidend“, schreibt Sarrazin weiter. Wer heute über die Zukunft nachdenke und dabei auch Fragen der Intelligenz, der Genetik und der Evolutionsbiologie anschneide, dem dürfe nicht reflexhaft unterstellt werden, er wolle Menschen diskriminieren oder sie in ihren Rechten, Freiheiten und ihrer Würde beschränken. Über seine Thesen könne man streiten. Der Versuch, demographische und bevölkerungspolitische Fragen aus dem politischen Diskurs zu verbannen, führe aber nicht weiter.

„Die Fragen, die ich aufwerfe, gründen nicht in erster Linie auf Erkenntnissen der Genetik, sondern vorrangig auf kulturellen Entwicklungen“, hält Sarrazin der Gabriel-Attacke entgegen. Des Weiteren sei es unbestreitbar, dass es „angeborene Ungleichheiten“ gebe, die von einem exzellenten Bildungssystem sogar „akzentuiert“ werden könnten. Zudem habe er auf die Heterogenität im Islam (von autoritär bis reformorientiert) hingewiesen und darauf, dass gewisse Strömungen eine Integration von Muslimen in Deutschland erschweren würden.

Gabriel geißelt Sarrazin als „Hobby-Darwin“

Sarrazins Artikel ist ein Konter auf einen Gastbeitrag, den Sigmar Gabriel unter dem Titel „Anleitung zur Menschenzucht“ in der „Zeit“ veröffentlicht hatte. Sarrazin bereite mit seiner Kritik an muslimischen Zuwanderern „den Boden für die Hassprediger im eigenen Volk“, schrieb Gabriel. Das sei mit der Programmatik der SPD nicht zu vereinen: „Wer uns empfiehlt, diese Botschaft in unseren Reihen zu dulden, der fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht.“

Gabriel kritisierte insbesondere Sarrazins Rückgriff auf Theorien aus dem 19. Jahrhundert, mit denen er eine Lehre von der angeborenen Überlegenheit des gebildeten Bürgertums gegenüber der Unterschicht begründe. Deren Kinder würden laut Sarrazin die intellektuelle Ausstattung ihrer Eltern erben und seien darum von Geburt an benachteiligt und letztlich zum Scheitern verurteilt. Selten habe es „eine so unverblümte Wiederbelebung der ständischen Gesellschaft gegeben“, urteilte Gabriel und bezeichnete Sarrazin als „Hobby-Darwin“. (we/dapd)