Essen. Arcandor gibt im Ringen um einen Notkredit auf. Der Handelskonzern hat Insolvenz beantragt. Die Reisesparte ist davon ausgenommen. Bundeskanzlerin Merkel nannte den Schritt unvermeidlich. Derweil ist auch Arcandor-Chef Eick ins Visier der Essener Staatsanwaltschaft geraten.
Der angeschlagene Handels- und Warenhauskonzern Arcandor hat seine Rettungsbemühungen aufgegeben und einen Insolvenzantrag gestellt. Beim Amtsgericht Essen sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit eingereicht worden, teilte das Unternehmen am Dienstagmittag in Essen mit. Betroffen sind laut Unternehmen insgesamt rund 43.000 Mitarbeiter. Alle Geschäftsbetriebe liefen weiter.
Ein jeweils eigener Antrag wurde für die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Unberührt von dem Zusammenbruch des Mutterkonzerns sind den Angaben zufolge die Reisetochter Thomas Cook Group, die Primondo-Spezialversender mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie der Homeshopping-Sender HSE24.
Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski sagte, Ziel des Insolvenzplanes sei, die begonnene Sanierung fortzusetzen und den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Der Insolvenzantrag sei erforderlich gewesen, weil die Anträge auf Staatshilfe abgelehnt worden seien und Nachbesserungen nicht erreichbar gewesen seien. Am Freitag fällige Darlehen in Höhe von 710 Millionen Euro könnten damit nicht bedient werden.
Merkel begrüßt Schritt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in der Insolvenz für einen Neuanfang. Die Insolvenz sei ein «unvermeidlicher Schritt, der aber mit seinen Chancen auch genutzt werden sollte», sagte sie in Berlin. Die Zusagen der Eigentümer und Gläubiger hätten nicht ausgereicht.
Sie sehe jetzt die Möglichkeit eines Zusammengehens von Arcandor mit anderen Unternehmen. Dabei nannte sie ausdrücklich den Handelskonzern Metro. Nun gehe es darum, den Konzern auf neue Füße zu stellen, sagte sie. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werde in Kürze Gespräche zur möglichen politischen Begleitung führen, sagte sie weiter.
Auch Metro bekräftigte, die Verhandlungen über eine Fusion der Kaufhausketten Kaufhof und Karstadt weiterzuführen. Die Tür für Gespräche und Verhandlungen stehe offen, erklärte das Unternehmen. Metro hoffe, die Gespräche bereits in der kommenden Woche wieder aufnehmen zu können. «Wir haben ein großes Interesse daran, schnell mit Karstadt zu einer Lösung zu kommen, damit die Rettung der Karstadt-Warenhäuser nicht durch die Insolvenz bei Arcandor verzögert werden kann», so das Unternehmen.
Der Arcandor-Vorstand hatte seit Montagabend ausgelotet, ob er einen neuen Antrag auf eine staatliche Rettungsbeihilfe stellt. Die Bundesregierung hatte den Konzern aufgefordert, die Großaktionäre Schickedanz und Sal. Oppenheim sowie die Banken stärker an einer möglichen Rettung zu beteiligen.
Einen ersten Antrag auf eine Rettungsbürgschaft in Höhe von 437 Millionen Euro wie auch die Bitte um Staatsbürgschaften über 650 Millionen Euro aus dem Deutschlandfonds hatte der Bund am Montag abgelehnt.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Eick wegen Insolvenzverschleppung
Unterdessen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen gegen Arcandor-Chef Eick, eingeleitet hat. Wie eine Sprecherin der Anklagebehörde am Dienstag mitteilte, ist bereits in der vergangenen Woche die Anzeige eines Privatmannes eingegangen, der dem Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Insolvenzverschleppung vorwirft. Zur Begründung der Anzeige seien der Behörde Presseberichte zugesandt worden, hieß es. Die Staatsanwaltschaft habe aufgrund der Anzeige die Ermittlungen aufgenommen.
Am Montag war bereits bekannt geworden, dass die Behörde Ermittlungen gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue prüft. Middelhoff soll Anteile an Immobilienfonds halten, die von den ungewöhnlich hohen Mieten profitieren, die Karstadt für seine Filialen zahlt. Middelhoff weist die Vorwürfe zurück. (ddp/ap)
DerWesten-Spezial: Arcandor in der Krise