Berlin. Unwillen wirft die Gewerkschaft Verdi Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der fehlgeschlagenen Rettung des Handelskonzerns Arcandor vor. Nach wochenlangem Kampf hat die Karstadt-Mutter Arcandor Antrag auf Insolvenz gestellt.
Eine Rettung des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor wäre nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi durchaus noch möglich gewesen. Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Margret Mönig-Raane sagte an die Adressen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerichtet: «Wer Lösungen will, findet Wege. Wer keine Lösung will, findet Gründe.»
Scharf kritisierte die Gewerkschafterin, dass die Beiträge von Eigentümern, Vermietern und Gläubigerbanken weniger substanziell gewesen seien als öffentlich angekündigt: «Die Beschäftigten haben ihren Beitrag zum vereinbarten Zukunftspakt geleistet und in den vergangenen Jahren auf wesentliche Einkommensbestandteile verzichtet. Ein entsprechend großes Engagement hätten wir auch von den anderen Akteuren erwartet», erklärte Mönig-Raane.
Antrag auf Insolvenz
Nach wochenlangem Kampf um eine Rettung hat die Karstadt-Mutter Arcandor Antrag auf Insolvenz gestellt, weil ihm die Zahlungsunfähigkeit gedroht habe, teilte der Handels- und Touristikkonzern mit. Das Geschäft in den Karstadt-Warenhäusern und bei den Arcandor-Versandhandelstöchtern laufe jedoch vorerst normal weiter.
Die Zahlungsunfähigkeit droht nach Angaben von Arcandor, da am Freitag Kredite in Höhe von 710 Millionen Euro fällig sind. Das Unternehmen beantragte auch für seine Kaufhaustochter Karstadt, die Versandhandelstochter Primondo und den Katalogversender Quelle Gläubigerschutz. Betroffen sind damit den Angaben zufolge 43.000 Mitarbeiter.
Nicht von der Insolvenz berührt sind die in Großbritannien ansässige Touristiktochter Thomas Cook, die Spezialversender der Primondo-Gruppe sowie der Fernseh-Einkaufssender HSE24. Das Amtsgericht bestimmte den Kölner Anwalt Klaus Hubert Görg zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Der Insolvenzantrag sei erforderlich geworden, nachdem die Bundesregierung am Montag Anträge des Konzerns auf staatliche Bürgschaften und einen Notkredit abgelehnt hatte, erklärte Arcandor. Der Bund hatte dem Konzern noch eine letzte Frist zu Verbesserung des Antrages eingeräumt. Die geforderte Verbesserung sei jedoch «nicht erreichbar» gewesen, teilte Arcandor mit. Dem Unternehmen zufolge stehen aber trotz der Pleite die bisherigen Hauptaktionäre, das Bankhaus Sal. Oppenheim und die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, «unverändert» hinter dem Konzern. Ziel des Insolvenzantrages sei es nun, die Sanierung unter Gläubigerschutz des Konzerns fortzusetzen.
Für die betroffenen Mitarbeiter sei die Entscheidung der Regierung «besonders bitter», da sie bereits «einen außerordentlichen Beitrag» zur Rettung des Unternehmens geleistet und einem Lohnverzicht von 345 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre zugestimmt hätten.
Arcandor: Löhne bis August gesichert
Die Löhne für Juni, Juli und August seien gesichert, teilte Arcandor mit. Sie würden durch die Bundesagentur für Arbeit als Insolvenzgeld ausgezahlt. Betriebsratschef Hellmut Patzelt sagte, die Belegschaft habe «nichts unversucht gelassen», um ihren Beitrag zur Rettung des Arcandors zu leisten. Auch in der Insolvenz wolle die Belegschaft weiter um jede Stelle kämpfen. Die Gewerkschaft Verdi sprach dennoch von einem «schwarzen Tag» für die Mitarbeiter.
Für die Kunden von Karstadt und der anderen Arcandor-Töchter sei es eine «wichtige Botschaft», dass der Geschäftsbetrieb des Konzerns «in vollem Umfang» weiter laufe, erklärte Arcandor. Sämtliche Bestellungen im Versandhandel wie etwa bei Quelle würden weiter normal ausgeführt. Bestehende Garantien für Waren würden weiter erfüllt. Auch das Rückgaberecht für Produkte gelte unverändert.
Merkel: Insolvenz "unvermeidlich"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Insolvenz Arcandors als «unvermeidlich». Die Zusagen der Eigentümer und Gläubiger des Unternehmens, sich für Arcandor zu engagieren, seien «absolut nicht genug» gewesen, kritisierte die Kanzlerin. Die Bundesregierung habe auch die Verantwortung, auf Steuergelder zu achten.
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnete die Pleite als «schlechte Nachricht - vor allem für die Beschäftigten». Die Insolvenz hätte verhindert werden können, wenn «alle an einem Strang gezogen» hätten. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wies auf die Chancen einer Insolvenz für Arcandor hin.
Der Handelskonzern Metro erklärte sich bereit, mit Arcandor weiter über eine Fusion seiner Warenhauskette Kaufhof mit Karstadt zu verhandeln. Die Tür für Verhandlungen stehe offen, erklärte Metro. Der Konzern hoffe, die Gespräche bereits in der kommenden Woche wieder aufnehmen zu können. (afp)