Bielefeld. .
Elena, die zentrale Speicherstelle für Arbeitnehmerdaten, ist seit 2010 aktiv. Doch die bisherige Form geht Datenschützern zu weit. Der FoeBud, Verein für Datenschutz, sammelte 21.000 Verfassungsbeschwerden. Am Mittwoch werden sie beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Tausende Briefe sind geöffnet, Ordner reihen sich in den Regalen, die Klagen wurden eingetütet und 40 große gelbe Boxen sind gepackt. Bereit für die Abreise nach Karlsruhe. Die Mitglieder des FoeBud, des Vereins für Bürgerrechte und Datenschutz, waren fleißig. Über 21.000 Verfassungsbeschwerden haben sie in nur zehn Tagen gesammelt. Am Mittwoch reichen sie gemeinsam mit Dominik Boecker, Fachanwalt für IT-Recht, eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesgericht in Karlsruhe ein. Gegen Elena. Denn sie wollen den „Elektronischen Entgeltnachweis“ in seiner bisherigen Form kippen.
Elena, das ist die zentrale Speicherstelle (ZSS) der Deutschen Rentenversicherung in Würzburg, an die alle Arbeitgeber seit Anfang dieses Jahres sämtliche Entgeltdaten ihrer Beschäftigten elektronisch und verschlüsselt übermitteln müssen. Insgesamt betrifft das die Daten von 40 Millionen Beschäftigten. Diese Informationen werden unter Pseudonym gespeichert. Ab 2012 sollen auf diesem Weg Sozialleistungen wie etwa Arbeitslosengeld, Wohngeld und Elterngeld schneller und digital beantragt werden können.
Soweit der Plan. „Weniger Bürokratie, mehr Effizienz“, soll das bringen. So wirbt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Mehr Effizienz, aber Sicherheitslücken
Die Effizienzsteigerung begrüßt sogar Fachanwalt Dominik Boecker. „Bisher wurden die Auskünfte vom Arbeitgeber am Computer auf Papier ausgedruckt, dann wurden die Informationen beim Amt wieder in den Computer eingegeben“, sagt er. Umständlich sei das. Außerdem sichere Elena eine gleiche Handhabung aller Daten, die bisher in unterschiedlicher Form von den Arbeitgebern zu Papier gebracht wurden.
Doch Elena hat nach Überzeugung des Datenschützers mehrere große Haken: „Seit dem 1.1. werden Daten gesammelt. Sie können aber frühestens 2012 kontrolliert werden“, sagt Boecker. Entgegen dem Auskunftsrecht kann der Arbeitnehmer also erst zwei Jahre später überprüfen, ob die Angaben, die sein Arbeitgeber über ihn gemacht hat, auch stimmen.
Außerdem befürchtet der Kölner Spezialist für IT-Recht, dass die Sicherheit der Datenspeicherung nicht gewährleistet ist: „Die zentrale Speicherung ist ein lukratives Ziel für Hacker.“ Zahlreiche Beispiele zeigen, wie schnell angebliche sichere Daten an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Außerdem bezweifelt Dominik Boecker, dass nur diejenigen den Zugriff auf die Daten behalten, die das auch dürfen.
Wer bekommt noch Zugriff?
„Wenn so eine zentrale Datensammlung erstmal da ist, dann gibt es auch viele Interessenten“, befürchtet auch Rena Tangens. Seit 1987 engagiert sie sich beim FoeBud für den Datenschutz, heute sitzt sie im Vorstand. 2008 verlieh sie bereits den „Big Brother“-Award an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – eben für die Verabschiedung des Gesetzes über das Elena-Verfahren.
Neben ihren Befürchtungen zur Sicherheit der Daten ärgert sich Tangens auch über die Politiker: „Sie handeln doch wider besseren Wissens“, sagt sie und wirft ihnen Arroganz vor. Das Urteil vom Bundesverfassungsgericht, das bereits die Vorratsdatenspeicherung kippte, zeige, dass auch Elena nicht verfassungsgemäß sei. „Die Daten, die bis jetzt gesammelt wurden, sollen wieder gelöscht werden.“
Damit, dass über 21.000 Mitstreiter ihre Meinung teilen, hatte Tangens nicht gerechnet. „Eigentlich unterstützen uns eher Studierende oder selbstständige ITler. Umso erstaunlicher ist es, dass so viele Vollmachten zusammen gekommen sind.“ Denn klagen dürfen nur unmittelbar Betroffene, also Arbeitnehmer oder Beamte. Auch hochrangige Richter und Soldaten seien dabei. „Sogar Arbeitgeber haben sich bei uns gemeldet, die die Daten ihrer Mitarbeiter nicht einfach weitergeben wollen.“ Ihnen sind jedoch vorerst die Hände gebunden: Arbeitgeber können sich Elena nicht verweigern.
Beeindruckendes Feedback
Trotz der breiten Unterstützung räumt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, den Klägern keine großen Chancen ein: „Gerichtsentscheidungen kann man nicht vorhersagen, aber ich erachte es für eher unwahrscheinlich, dass Karlsruhe das Elena-Gesetz für nichtig erklärt“, zitiert ihn die Wochenzeitung der Bundeszentrale für politische Bildung, „Das Parlament“.
Das sieht Anwalt Dominik Boecker anders. Auch wenn nach dem Gesetz ein Betroffener reichen würde, um die Verfassungsbeschwerde einzureichen, sieht er sich durch die Massen-Klage gestärkt: „Die Welle, die durch das Netz schwappt, und auch das Feedback, das wir offline bekommen, ist sehr beeindruckend.“ Gemeinsam mit seinem Kollegen Meinhardt Starostik will er überzeugen: „Auch wenn wir Elena nicht kippen sollten, wäre zumindest eine deutlich restriktivere Handhabung der Daten wünschenswert“, sagt Boecker. „Wenn uns die Politik überholt und von selbst nachbessert, wäre das auch ein Erfolg. Dann wären der Datenkrake Elena bereits die Tentakel abgeschlagen.“