Berlin. Die zahlreichen Datenskandale haben die Politik in Deutschland offenbar nicht richtig wachgerüttelt. "Getan hat sich bisher nicht viel", kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar. Den Politikern warf er Zögerlichkeit beim Kampf gegen Datenmissbrauch vor. Der Lobbydruck sei hoch.
Um die Sicherheit von persönlichen Daten ist es in Deutschland nach Einschätzung des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar schlecht bestellt. «Es liegt vieles im Argen», sagte Schaar am Dienstag bei der Vorstellung seines Berichts für die Jahre 2007 und 2008 in Berlin. Einige Sicherheitsgesetze, darunter die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, seien «unverhältnismäßig». Hinzu komme die Vielzahl an Datenskandalen in der Wirtschaft. Diese hätten die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten zwar sensibler für das Thema gemacht. «Getan hat sich aber bisher nicht viel», kritisierte Schaar. Der Politik warf er Zögerlichkeit beim Kampf gegen Datenmissbrauch vor.
Das Bundeskabinett hatte im vergangenen Dezember den Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz verabschiedet, das vor allem den Handel mit Daten deutlich erschweren soll. Schaar kritisierte, das laufende Gesetzgebungsverfahren komme nur langsam voran, auch aufgrund von «Lobbydruck». In den Entwurf würden immer mehr Kompromisse eingearbeitet und Zugeständnisse an die Wirtschaft gemacht. Dies müsse aufhören.
Schaar fürchtet um Datenschutzgesetz
Schaar betonte, die gesetzlichen Änderungen seien «überfällig» und «dringend». Er mache sich jedoch «ernsthafte Sorgen», dass bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode noch immer kein Ergebnis vorliege. Der Datenschützer forderte den Bundestag auf, das Verfahren zügig voranzutreiben. «Es darf nicht bei Versprechungen bleiben», mahnte er. Andernfalls drohe auch ein Glaubwürdigkeitsverlust für die Politik.
Auch beim Arbeitnehmerdatenschutz gibt es laut Schaar «dringenden Handlungsbedarf». Das geplante Arbeitnehmerdatenschutzgesetz werde aber vermutlich auch nicht mehr in dieser Legislaturperiode kommen.
Die bekanntgewordenen Skandale in der Wirtschaft sind nach Auffassung des Datenschützers «nur die Spitze des Eisbergs». Zum Teil funktioniere die Aufklärung der Fälle gut. Auch die Tatsache, dass einzelne Unternehmen nach Bekanntwerden von Datenverstößen personelle Konsequenzen gezogen hätten, sei ein «positives Signal». «Es bleibt aber viel zu tun», betonte Schaar.
Linke: "innepolitische Bankrotterklärung"
Aufseiten des Staates habe es ebenfalls deutliche Einschränkungen der Grundrechte durch neue Sicherheitsgesetze gegeben. Die Einführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung bezeichnete Schaar als einen der «gravierendsten» Einschnitte in den vergangenen zwei Jahren. Telekommunikationsfirmen sind demnach verpflichtet, für sechs Monate alle Teilnehmer, Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten auf Vorrat zu speichern. Dies betreffe ausnahmslos alle Bürger, ohne dass sie dazu Anlass gegeben hätten, kritisierte Schaar.
Auch viele eingeführte oder geplante elektronische Verfahren - etwa der elektronische Entgeltnachweis (ELENA), die elektronische Gesundheitskarte oder die Datenbank für Steuer-Identifikationsnummern - sind laut Bericht datenschutzrechtlich brisant und stehen unter dem Risiko des Datenmissbrauchs.
Die Opposition warf der Bundesregierung schwere Versäumnisse beim Datenschutz vor. Der Linke-Politiker Jan Korte bezeichnete den Bericht als «innenpolitische Bankrotterklärung» für die Regierung. Die Grünen-Innenexpertin Silke Stokar kritisierte, die Koalition spiele auf Zeit und werde keine Fortschritte mehr durchsetzen. Auch die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz rügte: «Großspurigen Ankündigungen» der von Union und SPD zur Verbesserung des Datenschutzes folge stets dasselbe: «Null Komma Nichts». (ddp)