Berlin. .

Die wichtigsten Details zu einem der umstrittensten Datensammelprojekte auf einen Blick: Wie der „elektronische Entgeltnachweis” (Elena) die 40 Millionen Beschäftigten Deutschlands durchleuchtet.

Es war immer schon eine merkwürdige Doppelarbeit: Um staatliche Leistungen wie Kinder-, Eltern- oder Arbeitslosengeld zu erhalten, muss man einen Stapel Papier zum jeweiligen Amt tragen; darunter auch Bescheinigungen vom Arbeitgeber, etwa Einkommens- oder Beschäftigungsnachweise. Alles Daten, die im Unternehmen längst digital gespeichert sind, dort ausgedruckt werden, um dann dem entsprechenden Amt vorgelegt und dort wieder in den Computer eingespeist zu werden. Riecht schwer nach aufgeblähter Bürokratie. Hier Vereinfachungen und Sparmöglichkeiten zu suchen, lag darum eigentlich auf der Hand...

Warum?

3,2 Millionen Arbeitgeber in Deutschland erstellen pro Jahr grob gerechnet rund 60 Millionen Bescheinigungen über das Einkommen und die Beschäftigungsverhältnisse ihrer Mitarbeiter. Das kostet. Mit „Elena” soll sich das ändern. Das Bundeswirtschaftsministerium, das die Federführung hat, spricht von einem „Meilenstein zum Abbau bestehender Bürokratie”

Was verbirgt sich dahinter?

Die Abkürzung steht für „Elektronischer Entgeltnachweis”. Das bedeutet: Alle Arbeitgeber müssen seit gestern sämtliche Entgeltdaten ihrer Beschäftigten elektronisch und verschlüsselt an eine zentrale Speicherstelle (ZSS) der Deutschen Rentenversicherung in Würzburg übermitteln. Auch Soldaten, Beamte und Richtern sind betroffen - insgesamt 40 Millionen Beschäftigte. Was geschieht dann? Dort werden die Informationen unter Pseudonym gespeichert. Ab 2012 sollen auf diesem Weg Sozialleistungen wie etwa Arbeitslosengeld, Wohngeld und Elterngeld zügig und digital beantragt werden können.

Wie funktioniert das?

Der Verbraucher benötigt für Elena eine Plastikkarte, auf der seine persönliche Signatur gespeichert werden kann. Was etwa auf den neuen Personalausweisen oder auf Bankkarten neueren Datums geht. Mit seiner elektronischen Signatur identifiziert sich der Versicherte bei der ZSS und gestattet der jeweiligen Behörde, seine Daten dort abzurufen. Und das spart Geld? Das neue Verfahren soll nach amtlichen Schätzungen jährlich 85 Millionen Euro an Bürokratiekosten ersparen. Wer zahlt für die Signatur? Der Bürger. Die Signatur wird im Fachhandel auf eine gängige Karte mit Chip aufgespielt. Das kostet 10 Euro und soll drei Jahre gültig sein. Wer ALG I, Wohn- und Elterngeld bekommt, kriegt den Betrag auf Antrag erstattet.

Warum trotzdem der Ärger jetzt?

Was „Elena” alles wissen will und soll, wurde bislang nie groß öffentlich diskutiert. Inzwischen wächst das Bewusstsein. Die Liste der Angaben, die Unternehmen über ihre Arbeitnehmer zu machen haben, ist 41 Seiten lang - nachzulesen im Internet unter www.das-elena-verfahren.de. Neben Namen, Geburtsdatum, Anschrift oder Gehalt wird dort unter „Fehlzeiten” auch pauschal nach einer Teilnahme an Streiks gefragt. Auch Abmahnungen sollen erfasst werden. Ob dies so bleibt, ist derzeit offen.

Wer hat das entschieden?

Auf die Datensammlung haben die Sozialversicherungsträger und Kommunen verständigt. Arbeits- und Wirtschaftsministerium der Bundesregierung haben es abgesegnet. Im April 2009 stimmte der Bundesrat zu. Und der Datenschutz? Laut Bundesregierung handelt es sich um ein sicheres Verfahren. Die vom Arbeitgeber gesendeten Daten werden in der ZSS geprüft, zweifach verschlüsselt und gespeichert. Eine Entschlüsselung sei nur möglich, wenn der Arbeitnehmer dies mit seiner Signatur erlaubt. Heißt: Die Arbeitgeber hätten dann keinen Zugriff auf die Datenbank. Der Chef könne nicht sehen, ob ein Mitarbeiter Wohn- oder Elterngeld bekommt. Datenschützer halten dem Erfahrungen mit der elektronischen Gesundheitskarte entgegen. Viele Nutzer verloren ihre Karten. In solchen Fällen gibt es Möglichkeiten, doch noch an die Daten zu kommen. Genau diese technische Hintertür könne auch bei Elena missbraucht werden.

Wer sind die wichtigsten Kritiker?

Neben den Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern vor allem die Gewerkschaften. Verdi -Chef Frank Bsirske spricht von einer „aberwitzigen Datensammelwut” Auch Innenpolitiker von CDU, Linkspartei, Grünen und FDP haben zunehmend Bedenken. Sie kritisieren, dass hier ein riesiger Datenpool entsteht, auf den Zug um Zug immer mehr Behörden zugreifen könnten. INFO- BOX: Die Kritiker des „Elena”-Projekts fühlen sich an ein anderes Streitthema erinnert, das derzeit die Justiz beschäftigt: die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. Sie ist im Gefolge einer in deutsches recht umgesetzten EU-Richtlinie seit Januar 2008 in Kraft und besagt: Für sechs Monate werden ohne Verdacht zahlreiche Verkehrsdaten, die Aufschluss über die Kommunikation aller Bürger geben können, gespeichert: Telefonnummern von Anrufer und Angerufenem, Uhrzeit und Dauer der Gespräche, bei Mobilfunkgesprächen die Orte von Anrufer und Angerufenem, E-Mail- und IP-Adressen von Sendern und Empfängern bei der Internetnutzung. Bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die im Frühjahr erwartet wird, dürfen besagte Daten nur bei schweren Straftaten an Ermittler weitergegeben werden.