Essen. Ab dem 1. Januar 2010 sollen die Einkommensnachweise von 40 Millionen Arbeitnehmern in Deutschland zentral in einer Superdatei gespeichert werden. Datenschützer fürchten Missbrauch. Die Gewerkschaft Verdi sieht klare Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte. Auch Streik-Teilnahme wird gespeichert.

„Weniger Bürokratie, mehr Effizienz”: Das verspricht Elena, der elektronische Entgeltnachweis. Ab dem 1. Januar 2010 sollen Einkommens- und Beschäftigungsnachweise aller in Deutschland tätigen Arbeitnehmer zentral bei der Deutschen Rentenversicherung gespeichert werden. Arbeitgeber begrüßen das Verfahren, Datenschützer und Gewerkschaften laufen Sturm dagegen. Missbrauch sei nicht auszuschließen, einige Elemente der Superdatei seien mit der Verfassung nicht vereinbar. Auch die Opposition kritisiert die Pläne der Regierung scharf. Die Linken-Abgeordnete Petra Pau wirft dem Staat „maßlose Sammelwut” vor.

Wer hat wann wie lange gearbeitet und welchen Lohn dafür erhalten? Alle Behörden, die mit der Genehmigung von Sozialleistungen und Renten beauftragt sind, sollen vom Zugriff auf die Elena-Datenbank profitieren. Die Regierung möchte damit den Bürokratieabbau beschleunigen, Bearbeitungszeiten verkürzen und dem Leistungsmissbrauch vorbeugen. Akten müssen nicht mehr von A nach B geschickt, Anträge auf Kinder-, Eltern- oder Arbeitslosengeld nicht bei verschiedenen Ämtern gestellt werden. Elena soll die Arbeitsbescheinigungen ersetzen, die bislang auf Papier an die Sozialversicherungen geschickt werden. Und doch bleiben viele Fragen offen.

"Elena erweist sich als schwarzes Loch"

Besonders brisant: In die Datei soll auch einfließen, wer wann wo an einem Streik teilgenommen hat und ob dieser „rechtmäßig” war. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht darin einen klaren Verstoß gegen Arbeitnehmerrechte. „Elena erweist sich als schwarzes Loch, das Streikrecht, Persönlichkeitsschutz und arbeitsrechtliche Standards bedroht”, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske dem Magazin „Stern”. Der Gewerkschaftler will nicht zulassen, dass Arbeitgeber künftig Kündigungsgründe und Abmahnungen melden oder bei Entlassungen das „vertragswidrige Verhalten” schildern sollen, das zur Trennung geführt hat. Verdi kündigte deshalb Klagen gegen Elena an.

Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, stößt sich daran, Angaben zu Streiks, Fehlzeiten und Abmahnungen in die Datei einfließen zu lassen. Damit sei die Grenze der Zulässigkeit überschritten, sagte Schaar der „Thüringer Allgemeinen”. Die Speicherung solcher Daten sei verfassungswidrig. Dass die Arbeitsagentur Daten von Beschäftigten benötige, um etwa in Einzelfällen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu verhängen, rechtfertige keinesfalls, solche Informationen generell zu speichern, sagte Schaar. Seine Behörde hatte bereits in der Vergangenheit Bedenken geäußert. „Unsere Sorge wächst, dass die technischen Möglichkeiten, die diese Dateien bieten werden, Begehrlichkeiten wecken, die Daten für andere Zwecke zu nutzen”, sagte ein Mitarbeiter Schaars dieser Zeitung.

Widerspruch unmöglich

Und auch die nordrhein-westfälische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Bettina Sokol, kritisiert in ihrem Jahresbericht: „Rund 40 Millionen Beschäftigte sollen zukünftig die monatliche Übermittlung ihrer Einkommensdaten an eine zentrale Speicherstelle zu dulden haben, obwohl feststeht, dass der überwiegende Teil der Daten niemals gebraucht wird.”

Unklar ist auch, ob die auf Elena-Rechnern gespeicherten Daten sicher sind, obwohl Datenschützer Schaar nicht müde wird zu erklären, die Verschlüsselung entspreche modernsten Standards. Die Gewerkschaft Verdi bemängelt, die Regierung habe es versäumt, die Superdatei von einer unabhängigen Instanz auf ihre Sicherheit hin überprüfen zu lassen. Verdi-Vertreter hatten vorgeschlagen, die Hacker vom Chaos Computer Club auf Elena anzusetzen. Die Regierung lehnte ab.

An Elena geht übrigens kein Weg vorbei. Das Gesetz sieht kein Widerspruchsrecht vor. Der Arbeitnehmer „hat keinen Rechtsanspruch, um die Übermittlung der vorgesehenen Entgeltdaten an die zentrale Speicherstelle zu verhindern”, heißt es dazu auf der Elena-Internetseite.