Siegen. .
Guido Westerwelle wappnet sich zum Gegenangriff: Auf dem NRW-Landesparteitag der FDP in Siegen wird der angeschlagene Parteichef am Sonntag die Kritiker seiner Südamerika-Reise in den Senkel stellen. Und Westerwelle wird wohl noch ein neues Fass aufmachen.
Guido Westerwelle konnte noch nie gut verlieren. Da kommt ihm Siegen gerade recht. Wenn der Bundesaußenminister und FDP-Chef am Sonntagmittag auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Liberalen in der Siegerlandhalle ans Mikrofon treten wird, müssen sich seine Widersacher warm anziehen.
Noch auf dem 13-stündigen nächtlichen Rückflug aus Rio de Janeiro, der letzten Station der einwöchigen Latein- und Südamerika-Reise des Vizekanzlers, kursierte an Bord des Regierungs-Airbus „Konrad Adenauer“ die Parole, dass „der Chef“ am Sonntag die „Samthandschuhe auszieht“ und den blauen Pass (der Diplomaten) gegen den roten Reisepass (des deutschen Staatsbürgers, Innenpolitikers ergo Provokateurs) eintauschen wird.
Wer Westerwelle in Chile, Argentinien, Uruguay und Brasilien dabei beobachten konnte, wie sein Reise-Ziel im Sog der innenpolitischen Vorwürfe und Spekulationen über eine vielfältige Vermischung von privater und dienstlicher Lebenssphäre peu a peu zerbröselte, ahnt, worauf Westerwelle sinnt: rhetorische Wirtshausrauferei. Rache!
Westerwelle kämpft mit katastrophalen Umfragewerten
Seine gewiss ernsthaften Bemühungen, den Startschuss für eine breit angelegte Wiederbelebung der lange vernachlässigten Beziehungen zwischen Deutschland und dem aufstrebenden Kontinent Latein-und Südamerika zu geben, drangen die gesamte Woche über kaum durch. Am Ende, ein wirklich seltenes Schauspiel, versuchten die mitgereisten Manager von EADS, Ferrostaal, United Internet und Areva durch eine denkwürdige Pressekonferenz auf eigene Faust zu retten, was längst nicht mehr zu retten war. Ihr Tenor: Der Außenminister habe ganz, ganz viele Türen geöffnet und wichtige Anschubhilfe gegeben, um deutschen Unternehmen auf den „Märkten des Südens“ den Einstieg zu erleichtern. Im Unterton sollte dabei mitklingen: Wer das nicht honoriert, sondern sich mit innenpolitischen Kinkerlitzchen abgibt, der hat den Schuss nicht gehört!
Dass über deutsche Investitionen auf der Südhalbkugel kaum, über den Vorwurf der Günstlingswirtschaft hingegen seit einer Woche ergiebig viel geschrieben, gesendet und geredet wird, wurmt Westerwelle, der ohnehin mit katastrophalen Umfragewerten zu kämpfen hat, über alle Maßen. Zeitweilig wird in der Reise-Delegation sogar unterschwellig so etwas wie böser Wille der mitgenommenen Journalisten unterstellt.
Damit aber nichts in Vergessenheit gerät, verteilte das Auswärtige Amt als Gedankenstütze einen Jahresplaner, der die künftigen Stationen der neuen Südamerikastrategie auflistet. Hätten die Experten vielleicht am Anfang machen sollen. Wie dem auch sei. Es handelt sich um Termine zum Teil im hochpolitischen Raum zwischen EU und Südamerika, zum Teil auf Ebene der Wirtschaftsverbände und Handelskammern. Nichts fürs breite Publikum, was für Feinschmecker. Frühestens im Herbst, wenn Argentinien samt seiner ziemlich kapriziösen Präsidentin Kirchner Hauptgast bei der Frankfurter Buchmesse gewesen sein wird, kann sich abzeichnen, ob was draus wird.
Rückendeckung von Parteifreunden
Solange will Westerwelle mit dem Abwatschen seiner Gegner nicht warten. Noch aus Südamerika orchestrierte er, etwas begünstigt durch Schlaflosigkeit und vier Stunden Zeitunterschied, medialen Flankenschutz aus den eigenen Reihen. Erst schob Generalsekretär Christian Lindner den Kritikern Westerwelles eine gewaltige Diffamierungskampagne in die Schuhe und wähnt gar die Demokratie in Gefahr. Später ließ die FDP-Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, mitteilen, Westerwelle sei sowohl als Außenminister wie auch als Parteichef in einer unangefochten starken Position. Interessant. Hatte zuletzt in der FDP denn irgendwer das Gegenteil behauptet?
Spannender ist die Frage, wie sich der FDP-Chef und Außenminister gegen den erheblichen Vorwurf zur Wehr zu setzen gedenkt, er habe es womöglich etwas zu dicke mit FDP-Spendern und langjährigen „Buddies“ aus der Wirtschaft. Einer von ihnen, Jörg Arntz, sah gestern etwas zerknirscht aus, bevor in Berlin das Gepäck ausgeteilt wurde. Der sympathische Brillenträger ist im Auswärtigen Amt neuerdings zuständig für die Koordinierung der Außenwirtschaftsförderung. Vorher gehörte er der Schweizer Firmengruppe Mountain Partners an, deren Gründer Cornelius Boersch erstens oft zum Reisetross Westerwelles gehörte und zweitens ein großzügiger FDP-Spender ist. Arntz, bis 2009 im Verwaltungsrat dieser Firma, war persönlicher Assistent Westerwelles. Laut „Spiegel“ hat er zeitweise die Geschäfte des FDP-nahen „Bürgerfonds“ geleitet, der Spenden für die Liberalen einsammelt. Riecht das nach Günstlingswirtschaft?
Dazu kommt: Dass ausgerechnet Kai Westerwelle, Guidos Bruder, Miteigentümer einer Firma ist, die jüngst auf einer Asien-Reise des Ministers mit an Bord vertreten war, macht es auch nicht leicht, den Satz zu sagen, den viele gerne sagen würden: Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland ist über jeden Zweifel erhaben.
Westerwelle wird sich zum Opfer stilisieren
Westerwelle selbst, was Wunder, hält das Ganze für verleumderischen Unsinn, übermäßig aufgebauscht, zum Teil ehrenrührig und überhaupt nur durch die in acht Wochen anstehende Landtagswahl in Düsseldorf für erklärbar. Seine Botschaft: Jene, die in Wahrheit ein rot-rot-grünes Bündnis des Verderbens für NRW planen, schrecken vor nix zurück. Der Gedanke hingegen, dass auch nur der leise Anschein einer Vorteilsverschaffung für Familienmitglieder und politische Freunde, dem Ansehen des Amtes und damit des Landes schaden könnte, ist Westerwelle offenkundig fremd. Er kann sich keinen Fehler nachweisen; auch wenn er noch so intensiv nachschaute.
Folglich wird Westerwelle sich am Sonntag einmal mehr als Opfer stilisieren. Als jemand, der auf dem Feld des Privaten auf der Basis von Mutmaßungen und Unterstellungen geprügelt wird, weil er auf dem Feld des Öffentlichen (Sozialstaatsdebatte, Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts....) für viele schmerzhaft Tacheles gesprochen zu haben glaubt.
Nicht genug damit. Westerwelle wird voraussichtlich noch ein neues Fass aufmachen und der politischen Woche damit das Thema vorgeben. Er, der es in zehn Jahren als Oppositionspolitiker gewohnt war, dass ihm beileibe nicht alle Herzen (auch die der Medien) zufliegen, der es gewohnt ist, mächtig einzustecken, weil er doch auch so gerne üppig austeilt, sieht im öffentlichen Umgang mit seinem Lebenspartner Michael Mronz und seinem Bruder Kai eine neue, eine unselige Qualität der politischen Auseinandersetzung.
Heimspiel, das leicht verloren gehen könnte
Siegen wird darum den Auftakt einer Diskussion über die Frage erleben, was dürfen eigentlich beruflich selbstständige Lebenspartner von Politikern, egal ob Mann oder Frau, und was nicht. Und was dürfen Familienmitglieder dieser Politiker?
Die Hoffnung, dass der Außenminister nach der Erfahrung mit seinem Bruder Kai demnächst in die ganze Familie vorbeugend hineinhorcht, auf der Suche nach denkbaren wirtschaftlichen Interessenkonflikten, die da noch kommen könnten bei künftigen Reisen, wird Westerwelle voraussichtlich enttäuschen. Wertmaßstäbe, etwa die totale Unbedenklichkeit bei sensiblen Themen, die er als Oppositionspolitiker permanent von den Regierenden einforderte, lässt als Neu-Regierender für sich selbst nicht mehr gelten. Präventives Durchleuchten, damit nicht irgendwann wieder etwas herauskommt? Nicht mit ihm.
Guido Westerwelle will in Siegen die in Südamerika aus seiner Sicht völlig unverdiente Auswärts-Niederlage durch harte Konter wettmachen. Ein Heimspiel, das leicht verloren gehen könnte? Westerwelle denkt nicht dran. Kaum war die Regierungsmaschine am Samstagnachmittag in Berlin gelandet, hatte die Republik den alten Guido wieder: „Jetzt bin ich wieder in Deutschland und wer glaubt, dass er mit solchen Verleumdungskampagnen eine linke Mehrheit in Nordrhein-Westfalen stricken kann, der unterschätzt die Klugheit unserer Bürger.“ Rest folgt am Sonntag. In Siegen.