Berlin. .
Die Richter des Bundesverfassungsgericht haben auf die Reset-Taste gedrückt: Sie haben die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form gekippt. Damit haben sie der Regierung in Berlin erneut die Leviten gelesen.
Der wahre Chaos Computer Club sitzt in Berlin. Es ist die Regierung. Mit dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung hat das Verfassungsgericht ihr erneut die Leviten gelesen. Den Spruch aus Karlsruhe kann man nicht schönreden. Die Richter waren rigoros. Das Gesetz ist „nichtig“, die Daten müssen „unverzüglich“ gelöscht werden. Die Richter haben auf die Reset-Taste gedrückt.
Mit der Online-Durchsuchung hatte das Gericht schon vor nicht allzu langer Zeit den Behörden ihre Grenzen aufgezeigt. Man hat den Eindruck, dass bei den Freiheitsrechten seit Jahren nicht auf Maß und Mitte geachtet wurde. Auch für das Parlament sind es nicht gerade schmeichelhafte Urteile.
Balance zwischen Sicherheit und Freiheit
Der Bundestag ist der Gesetzgeber. Es sollte eigentlich sein ganzer Stolz sein, Gesetze zu entwickeln, die in Karlsruhe bestehen und die nicht etwa am Fernmeldegeheimnis scheitern. Das Parlament sollte sich auch zutrauen, die Regierung auszubremsen, wenn sie auf Abwegen ist. Man hätte sich frühzeitig und sorgfältiger mit Einwänden befassen müssen.
Was kann man aus dem Urteil lernen? Erstens, dass eine EU-Richtlinie kein Persilschein ist. Auch solche Vorgaben müssen im Rahmen des Grundgesetzes umgesetzt werden. Im Zweifel ist man besser beraten, die EU-Vorgaben zurückhaltend und defensiv auszulegen. Zweitens ist es kein Zufall, dass es sich um ein Gesetz der großen Koalition handelte. Da ist die Dickfelligkeit programmiert. Drittens spürt man, wie - zehn Jahre nach dem Attentat aufs World Trade Center - das Pendel zu Recht und langsam wieder zurückschlägt: zugunsten der Freiheitsrechte. In erster Linie ist es Karlsruhe zu verdanken, dass die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wieder hergestellt wird.
Ausrufezeichen gesetzt
In der Regierung sind das Innen- und das Justizministerium neu besetzt worden. Das macht es leichter, mit dem Urteil unbefangener umzugehen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger darf sich persönlich bestätigt fühlen. Innenminister Thomas de Maiziere kann zumindest ins Feld führen, dass die Watsche nicht ihm galt und dass er die Rivalität zwischen beiden Häusern nicht anheizt.
Von der Vorratsdatenspeicherung hängt nicht unsere Sicherheit ab. Man muss jetzt nicht den Teufel an die Wand malen. Es gibt eine gute Chance, dass dieses Urteil nüchtern analysiert wird und die Daten von Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungen - wenn überhaupt - nur äußerst restriktiv gespeichert werden. Das ist gut so und persönlich das Verdienst von Hans-Jürgen Papier. Bevor er als Gerichtspräsident ausscheidet, hat er noch einmal ein Ausrufezeichen gesetzt. Und das ist gut so!!