Berlin. .
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt ab Dienstag über die Rechtmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Unter den 35.000 Klägern findet sich auch die Justizministerin. Kippt das Gesetz, bekommt die Bundesregierung ein Problem.
Der Anhörung vor dem Karlsruher Verfassungsgericht bleibt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lieber fern. Die Situation ist auch zu delikat. Bei der „Vorratsdatenspeicherung“, um die es heute gehen soll, ist die Justizministerin sowohl eine von 35.000 Klägern als auch eine Beklagte. Schließlich gehört sie zur Regierung, die zu ihrem eigenen Gesetz stehen sollte. So viel zum Zwiespalt, dem sich die FDP-Frau durch Fernbleiben entzieht. Sie steht hinter der Beschwerde, der sie sich als Oppositionspolitikerin angeschlossen hatte. Just vor diesem Hintergrund hatten FDP und Union im Koalitionsvertrag verabredet, dass die Behörden bis zu einem Urteil auf keine Daten zurückgreifen sollen. Sie setzen das Gesetz faktisch aus.
Darin werden Telefonanbieter und Provider verpflichtet, alle Kommunikationsdaten sechs Monate lang aufzubewahren. Gespeichert wird nicht etwa das einzelne Handy- und Telefongespräch oder eine E-Mail und nicht der Inhalt, wohl aber, wer wann wen angerufen hat; wie oft, wie lange. Das gilt ausnahmslos und nicht etwa nur für besondere Verdachtsfälle. Auf die Daten, die gespeichert werden (zum Beispiel für die Telefonrechnung), können die Behörden dann zum Zweck der Strafverfolgung zugreifen.
Dagegen laufen die Kritiker Sturm: Anwälte, Datenschützer, Menschenrechtsgruppen, Verlage, Journalisten und aus dem Bundestag Linke, Grüne sowie 14 liberale Politiker. Es geht um Milliarden von Daten. Die erste Frage ist, ob das Gesetz nicht unverhältnismäßig ist und zu unbestimmt gefasst wurde. Dazu kommt das Misstrauen, dass Daten - liegen sie einmal vor - missbraucht werden könnten. Mit ihnen ließen sich Kontakte rekonstruieren: Von Anwälten zu ihren Mandaten, von Journalisten und ihren Informanten, geschäftliche wie private Beziehungen; und zwar ohne, dass der Einzelne sich verdächtig gemacht hätte. Allein schon die Tatsache, dass die Daten erhoben, gespeichert und der Polizei bereitgestellt werden könnten, dürfte Informanten abschrecken, geben etwa die Journalistenverbände zu bedenken.
Kommt das Gesetz durch, kann die FDP seine Umsetzung nicht länger aufhalten. Verwirft das Gericht das Gesetz, hat die Regierung ein Problem. Die Vorratsdatenspeicherung ist eine EU-Vorgabe, die sie in nationales Recht umsetzen soll.
Dann käme es auf den Wortlaut des Richterspruches an: auf etwaige Vorgaben für den Gesetzgeber. Aus dem Verlauf der Anhörung heute kann man nur bedingt Rückschlüsse auf das Urteil ziehen. Es gibt auch keine zeitlichen Vorgaben. Das Gericht kann sich so viel Zeit lassen, wie es für nötig hält. Es gibt aber Erfahrungswerte. Man kann ein Urteil innerhalb der nächsten drei Monate erwarten.