Berlin. An dem Scheitern des Opel-Krisengipfels hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch der US-Seite die Schuld gegeben. Zum einen habe der Mutterkonzern GM überraschend neue Zahlen vorgelegt, und zudem wolle die US-Regierung keine ausreichenden Sicherheiten geben.
Eine Entscheidung über die Zukunft des Autoherstellers Opel ist nach Darstellung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) vor allem an der US-Regierung gescheitert. Die deutsche Regierung könne eine Übergangsfinanzierung für Opel nur gegen eine angemessene Sicherheit gewährleisten, sagte Koch am Donnerstag vor dem Haushaltsausschuss des Landtags in Wiesbaden. Die Vertreter der US-Regierung, die den vor der Insolvenz stehenden Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) faktisch kontrolliert, hätten bei den Beratungen die Haltung vertreten, «machen wir mal eine Übergangsfinanzierung und schauen dann, wie es weiter geht». Das sei für die deutsche Seite aber nicht akzeptabel.
Ultimatum bis Freitag
«Das Verhalten der USA halte ich für ausgesprochen schädlich», sagte Koch weiter. Eine Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens sei dadurch «objektiv unmöglich» gewesen. Die deutsche Regierung habe daraufhin nun genau Bedingungen an die US-Seite und ein Ultimatum bis Freitagmittag gestellt. «Wir erwarten bis Freitag 14.00 Uhr unserer Ortszeit neue Ergebnisse», sagte Koch. In jedem Fall müsse bis Dienstagvormittag Handlungsfähigkeit hergestellt sein.
Marathon mit Spielverderbern
Schon zu Beginn des Opel-Marathons im Kanzleramt scheint etwas faul: Die gesammelte deutsche Polit-Prominenz gibt sich die Ehre - und für die US-Regierung sitzt ein drittklassiger Abgesandter mit am Tisch. Die nächste böse Überraschung lässt nicht lange auf sich warten: Prompt zu Beginn der Schicksalsrunde in der Machtzentrale lässt der Opel-Mutterkonzern General Motors kühl verlauten, dass er nochmals 300 Millionen Euro von der Bundesregierung braucht. Ging es zuletzt nur um die Frage, wer Opel übernehmen wird, so ist nun wieder unklar, ob eine Übernahme überhaupt möglich ist.
Dabei wollten sich die Bieter in der Nacht im Kanzleramt nochmals von ihrer besten Seite zeigen. Fiat-Chef Sergio Marchionne pflegte seine Markenzeichen, rollte im Pullover auf dem Beifahrersitz eines mittelgroßen Fiat-Modells an. Auch der Gründer des Autozulieferers Magna machte routiniert auf sich aufmerksam. Der hemdsärmelige Selfmade-Milliardär und gebürtige Österreicher ließ an der Einfahrt zum Kanzleramt die Scheibe seiner Limousine herunter und erzählte vor den Kameras in breitem Austro-Englisch von seinen Plänen für Opel.
Koch: Opel-Krisengespräch an Amerikanern gescheitert
Doch die Bieter sollten nur Statisten sein. «Wir konnten uns gar nicht mit den Investoren beschäftigen, weil wir alle Hände voll mit den Rahmenbedingungen zu tun hatten», sagt Hessens Ministerpräsident Roland Koch nach dem Marathon, der erst im Morgengrauen sein Ende findet. Die Chefs der an Opel interessierten Großkonzerne vertreiben sich die Nacht über die Zeit meist in separaten Büros.
Nicht weit von diesen Büros, am großen ovalen Tisch des Kabinettssaals, wächst derweil der Frust. Die Kanzlerin, ein Dutzend Minister und mehrere Ministerpräsidenten beißen bei der US-Regierung und bei General Motors auf Granit. Nicht nur 300 Millionen Euro zusätzlich soll die Bundesregierung geben. Der Besuch aus Übersee will zudem keine Sicherheiten bieten. Im Klartext: Sie will Geld für Opel von der Bundesregierung. Zugleich will sie aber nicht garantieren, dass Opel überlebt und der Staat sein Geld auch wiedersieht.
Die Haltung der USA machen die Runde im Kanzleramt mitunter ratlos. «Man musste sich gelegentlich über die Verhandlungsführung des ein oder anderen Gastes wundern», sagt Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) so diplomatisch wie verärgert nach den Verhandlungen. Sieben Stunden hatte sich nichts bewegt, obwohl das US-Finanzministerium per Videokonferenz zugeschaltet wird. Die ganze Nacht schließen sich die Politiker ein. Nur Fiat-Chef Marchionne kommt mit ein paar Getreuen immer wieder vor die Tür - zum Rauchen.
Bewegung kommt erst in die Runde, als es auch in den Vereinigten Staaten langsam Nacht wird. Gegen drei Uhr deutscher Zeit gibt es erstmals die Hoffnung, doch noch eine Lösung zu finden. Binnen 48 Stunden soll die Runde erneut im Kanzleramt tagen. Von den USA will die Bundesregierung bis dahin die Zusicherung, dass es nach einer milliardenschweren Brückenfinanzierung für Opel auch weitergeht. Ist dies bis zum Freitag nicht der Fall, droht die Insolvenz.
Auch für den zweiten Knackpunkt, die fehlenden 300 Millionen Euro, deutet sich eine Lösung an. Magna-Gründer Frank Stronach erklärt nach den Verhandlungen, er wolle die fehlenden 300 Millionen Euro vorstrecken. Der deutsche Staat soll aber dafür bürgen, wenn das Geld durch Störfeuer aus den USA doch noch verloren geht. Stronach ringt in seinem englisch eingefärbten Vortrag nach den richtigen deutschen Worten und sagt dann schlicht: «Eine Insolvenz von Opel wäre schade.»
Opel-Gewerkschafter weiterhin zuversichtlich
Der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter und Opel-Aufsichtsrat Armin Schild sowie der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel zeigen sich auch nach der Krisensitzung zuversichtlich. Er wolle das Scheitern der Gespräche nicht «überdramatisieren», sagte Schild im Deutschlandfunk. Man befinde sich jetzt in der Nachspielzeit. Er sei überzeugt, dass mit einem der zwei verbliebenden Investoren, dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna und dem italienischen Autokonzern Fiat, eine Entscheidung zustande komme. Er sehe die Lösung «in greifbarer Nähe».
Ähnlich äußerte sich Einenkel. Im ARD-«Morgenmagazin» sagte er: «Es wird mit Sicherheit zu einem guten Ende kommen.» Man wisse, was diese Belegschaft geleistet habe, «dass wir gute Autos bauen, und dass alle bereit sind mitzuhelfen, eine Lösung zu finden». Weiter sagte der Bochumer Opel-Betriebsratschef mit Blick auf den Mutterkonzern General Motors (GM), dass sein Dank in diesem Zusammenhang den Politikern gelte «und weniger denen, die Teil des Problems sind, die Finanzierungsprobleme auf den Tisch gebracht haben und vielleicht auch nicht die nötigen Zahlen auf den Tisch gelegt haben». (ddp/ap/afp)