Duisburg. .
Ministerpräsidentin Kraft wandte sich bei der Trauerfeier für die Opfer der Loveparade-Tragödie sichtlich bewegt an die Hinterbliebenen. Zur Live-Übertragung in der MSV-Arena kamen weniger Menschen als erwartet.
In der Duisburger Salvatorkirche ist am Samstagvormittag mit einer Trauerfeier der Opfer der Loveparade-Tragödie vor einer Woche gedacht worden. Zu den Trauergästen zählten Bundespräsident Christian Wulff, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Zahlreiche Bürger versammelten sich auch vor der Kirche, um die Veranstaltung zu verfolgen.
Den rund einstündigen Gottesdienst leiteten der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, gemeinsam. Overbeck sagte in seiner Trauerpredigt, das Leid werde lange währen. „Von jetzt auf gleich bricht alles zusammen. Menschen sterben, werden verletzt – an Leib und Seele.“ Schneider sagte, hinein in ein Fest überbordender Lebensfreude habe „der Tod uns allen sein schreckliches Angesicht gezeigt“.
Kraft war sichtlich bewegt
Sichtlich bewegt hat auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) während des Trauergottesdienstes den 21 Opfern gedacht. Es sei schwer, angesichts des Todes Worte zu finden, sagte Kraft. Das Leben junger Menschen sei grausam und jäh beendet worden, sie seien aus ihren „Hoffnungen und Träumen, aus ihren Zukunftsplänen, Familien und Freundeskreisen“ gerissen worden. „Sie alle hatten ihre ganze Zukunft noch vor sich.“ Es sei nicht leicht, angesichts des großen Leids Trost zu finden und Trost zu spenden. „Trost – das mag für viele noch zu früh sein“, sagte Kraft.
„Uns alle lässt das Geschehene nicht los.“ Die Bilder der Katastrophe machten „betroffen, hilflos und manche auch wütend“, sagte Kraft. Es gebe viele Fragen und zu wenige Antworten. „Jede Katastrophe erschüttert uns und lässt uns die Frage nach dem Warum stellen“, sagte die Ministerpräsidentin. Da auch ihr eigener Sohn auf der Loveparade war könne sie nachempfinden, „was Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde durchlitten haben, die stundenlang auf ein Lebenszeichen warten mussten“. Allen Betroffenen sei man schuldig, das Geschehene lückenlos aufzuklären: „Wie konnte dies geschehen, wer trägt Schuld, wer ist verantwortlich?“
Mit gebrochener Stimme
Kraft würdigte auch den Einsatz von Ordnern und Einsatzkräften, die körperlichen und seelischen Belastungen ausgesetzt gewesen seien. Sie hätten „unter schwersten Bedingungen ihr Bestes gegeben, um Menschenleben zu retten“. Viele hätten „bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit nahezu Übermenschliches geleistet“. Sie habe mit Teilnehmern der Loveparade gesprochen, „die zu Helfern wurden“. Auch Gespräche mit Angehörigen der Opfer habe die Ministerpräsidentin nach der Katastrophe geführt. Der Vater eines Opfers habe ihr gesagt: „Der grausame Tod seiner Tochter kann im Nachhinein noch einen Sinn bekommen, wenn dieser Tod uns alle mahnt, unser aller Wertesystem zu überdenken“, sagte Kraft. Der Mensch, sein Wohlergehen und seine Sicherheit müssten „die wichtigsten Leitlinien unseres Handelns sein“.
Mit gebrochener Stimme wandte sich Kraft an die Hinterbliebenen der 21 Todesopfer: „Wir können Ihren Schmerz nicht ermessen und nicht lindern. Und doch bitte ich Sie, öffnen Sie Ihre Herzen für alle, die Ihnen Trost spenden wollen und Ihnen über den Verlust eines unersetzlichen, geliebten Menschen hinweghelfen möchten. Sie sind nicht allein.“
Teilnahme an Live-Übertragungen geringer als erwartet
Wegen der zahlreichen Besucher der Trauerfeier wurde der Gottesdienst in der Duisburger MSV-Arena auf Großbildleinwänden übertragen. Auch vor dem Fußballstadion sowie in mehreren Kirchen der Stadt konnte über Leinwände die Übertragung verfolgt werden. Die Teilnahme durch die Bevölkerung war aber geringer als zunächst erwartet. So versammelten sich im MSV-Stadion nach Polizeiangaben rund 2000 Menschen.
Seine Teilnahme für die Trauerfeier abgesagt hatte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der in den vergangenen Tagen massiv unter Druck geraten war und durch seine Teilnahme am Gottesdienst nicht provozieren wollte. Sauerland wird vorgeworfen, das Sicherheitskonzept für die Loveparade abgesegnet zu haben, obwohl es Lücken aufgewiesen habe.
Trauermarsch zur Unglücksstelle
Am Nachmittag soll sich ab 15 Uhr vom Hauptbahnhof aus ein Trauermarsch in Bewegung setzen, der zur Unglücksstelle zieht. Auch hier werden Tausende Teilnehmer erwartet. Bei der Loveparade waren am 24. Juli 21 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 500 wurden verletzt.
Derweil kündigte Bundespräsident Christian Wulff an, die Helfer vom Loveparade-Unglück in Duisburg auszuzeichnen. „Ich werde die ehrenamtlichen Helfer, die Leben gerettet und Menschen geholfen haben, nach Berlin einladen und auszeichnen“, sagte Wulff der „Bild am Sonntag“.
Nach Angaben des Bundespräsidenten steht derzeit die gemeinsame Trauer im Mittelpunkt. „Es geht darum, den Angehörigen zu zeigen, dass die gesamte Nation ihnen beisteht. Dadurch wird das Leid vielleicht etwas erträglicher gemacht. In der Trauerarbeit wird auch der religiöse Aspekt deutlich: dass der Tod zum Leben dazugehört. Das ist besonders für junge Menschen schwer zu akzeptieren.“
Wulff erinnerte in diesem Zusammenhang an frühere Unglücke: „Wir wissen aus früheren Katastrophen wie dem ICE-Unglück in Eschede, dass oft auch die Helfer, die Großartiges leisten, von den schrecklichen Erlebnissen traumatisiert werden.“ (ddp)