Essen. Das Ende einer Beziehung geht meist mit zerknüllten Taschentüchern und verweinten Augen einher. Das Aus unserer Kolumnistin Lilo mit ihrem Freund Karsten allerdings verlief in der Realität wenig tränenreich und in der Phantasie reichlich blutrünstig.

Die vier Phasen einer Trennung gehören zum Standardrepertoire guter und weniger guter Frauenzeitschriften, Lebensberater und Hobbypsychologen. Auf „Schock und Verleugnung“ folgen „aufbrechende Gefühle“ und nach einer Periode der „Neuorientierung“ dann, so verspricht man uns, ein „neuer Lebensentwurf“.

Rot unterlaufene Augen und Schokolade

Als ich neulich beim Einkaufen Birgit über den Weg lief, stand mir ein eindeutiger Phase II-Typ gegenüber: rot unterlaufene Augen, verschleierter Blick, den Einkaufskorb mit verdächtigen Mengen an Schokolade gefüllt. Ich fragte nicht nach, sie schien auch ohne Mitgefühl den Tränen nahe. Weshalb es zum Thema Birgit und ihr Ex auch gar nicht mehr zu sagen gibt als: Ein Glück, dass dieser Affe mit ihr Schluss gemacht hat. Eines Tages wird sie selbst das auch so sehen.

Doch vor allem erinnerte mich die Begegnung an Karsten. Das heißt, weniger an Karsten, als an meine Art, mit dem Ende umzugehen, mit diesem ganz speziellen Ende. Ich betrachtete die verheulte Birgit und dachte zurück an diesen Sommer vor zwei Jahren und meine ganz und gar anderen Gefühle.

Schock und Vergeltung

Karstens Fotosammlung mit Bettbekanntschaften, die mir an einem verstaubten Nachmittag in die Hände fiel, wirkte auf mich wie ein umgekehrter Liebestrank. Es brauchte genau zwei Stunden „Schock und Verleugnung“ bis ich mich in eine dieser blutrünstigen Furien verwandelt hatte, die ich bis dahin für eine Erfindung der Filmindustrie gehalten hatte. Phase „Schock und Vergeltung“ begann.

Zuerst kam der Wunsch, ihm eine runterzuhauen. Nein, lieber mehrere. Auf meinem rastlosen Weg durch die Wohnung wurde seine CD-Sammlung wahrscheinlich nur durch das Klingeln des Briefträgers gerettet. Die Szene, die ihn abends erwartete, überstand das Mobiliar wohl nur deshalb so gut, weil die schöneren Sachen ohnehin mir gehörten – und weil sich im Moment höchster Wut das Bild einer kreischend Vasen zertrümmernden Diva vor mein inneres Auge drängte. Ich versuchte, stattdessen so etwas wie schneidende Kälte zu versprühen, keine Ahnung, ob das funktioniert hat. Der Auszug war danach nur noch eine Sache von Tagen.

Nächtliche Rachefeldzüge

Was dann folgte, war ein Ausflug auf die dunkle Seite der Seele: Ich hätte nie gedacht, dass ich mal jemandem auf die Finger treten würde, der sich an einer Hochhausdachrinne festklammert. Oder die Bremsen eines Autos manipulieren – ich wüsste gar nicht, wie das geht. Und doch: Beides habe ich gemacht – naja, im Traum jedenfalls. Um die unappetitlicheren Visionen erst gar nicht zu erwähnen. Nur soviel: Es ging um den Verlust von Körperteilen.

Ein paar Freunde haben mich damals um meine Haltung beneidet. „Du steckst die Sache mit Karsten ganz schön gut weg.“ „Also, wenn du mal reden willst…“ „Vermisst du ihn denn gar nicht?“

Vermissen? Von wegen. Die waren ja nicht dabei, wenn ich nachts schweißgebadet aufwachte. Tagsüber studieren und jobben, nachts meine persönliche Itchy-und-Scratchy-Show – so ein Rachefeldzug quer durchs Unbewusste zehrt.

Karsten hat überlebt

Um das klarzustellen: Karsten hat es überlebt, zumindest, so weit ich seinen weiteren Lebensweg verfolgen konnte. Sollte er nicht mehr unter uns weilen, hat es zumindest nichts mit mir zu tun. Ich habe schon vor einer Weile Level IV erreicht.

Und Birgit? Macht jetzt Kickboxen, habe ich gehört. Bleibt nur zu hoffen, dass der Verflossene nicht während der nächsten Wochen in einer dunklen Seitenstraße ihren Weg kreuzt.

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