Düsseldorf. Die CDU dreht den Spieß in der Video-Affäre um die SPD-Chefin Kraft um und erhebt nun ihrerseits schwere Vorwürfe: Die SPD habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ausspioniert. Am Mittwoch waren E-Mails bekannt geworden, die Rüttgers´ Staatskanzlei in der Affäre schwer belasten.

In der Video-Affäre hat die CDU der Opposition schwere Vorwürfe gemacht. Die SPD habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) «bespitzelt», sagte CDU-Fraktionschef Helmut Stahl am Donnerstag in Düsseldorf. «Nicht die Staatskanzlei hat jemanden ausspioniert, sondern Daten/E-Mails der Staatskanzlei sind ausspioniert worden. Nicht die Staatskanzlei verwendet illegal erlangte Informationen zur politischen Auseinandersetzung, sondern SPD und Grüne», sagte Europaminister Andreas Krautscheid (CDU).

Die Staatskanzlei widersprach indes in der sogenannten Video-Affäre Vorwürfen, sie sei in Bespitzelungen der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft durch die CDU eingebunden gewesen. «Die Staatskanzlei hat niemanden bespitzelt, weder systematisch, noch im Einzelfall», hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung. Kein Mitarbeiter der Staatskanzlei sei an «Bespitzelungsmaßnahmen» beteiligt gewesen.

Gepflogenheiten der Parteiendemokratie

Die Staatskanzlei erklärte, aus den wiedergegebenen E-Mails ergebe sich, dass auch Berger sich lediglich an der Diskussion über Berichte von öffentlichen Veranstaltungen beteiligt habe. Maßnahmen der Videoaufzeichnung durch die CDU seien von ihm kritisch kommentiert worden. Kontakte zwischen der Staatskanzlei, der CDU-Landtagsfraktion und der CDU-Landesgeschäftsstelle - aber auch zu anderen Parteien und Fraktionen - seien üblich und entsprächen den Gepflogenheiten und Notwendigkeiten der Parteiendemokratie, hieß es.

Bereits am Mittwoch hatte ein Sprecher der Landesregierung angesichts der Berichte über die Mails von einem ungeheuerlichen Vorgang gesprochen: «Offenbar wird die Staatskanzlei systematisch bespitzelt.» Es sei nicht auszuschließen, dass auch Rüttgers Opfer der «Bespitzelungsattacken» sei. Man habe unmittelbar juristische Schritte eingeleitet, auch das Landeskriminalamt habe Untersuchungen aufgenommen.

Video-Streit begann Anfang des Monats

SPD-Chef Franz Müntefering zog laut einer Vorabmeldung der «Rheinischen Post» einen Vergleich zur Watergate-Affäre: «Herr Rüttgers erinnert mich weniger an Johannes Rau, sondern eher an Richard Nixon», sagte er dem Blatt. Die nordrhein-westfälische Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann forderte eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. So müsse geklärt werden, ob Berger ohne Anweisung des Ministerpräsidenten gehandelt habe. Rüttgers warf sie vor, er versuche, sich als Opfer krimineller Maschenschaften zu stilisieren.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Stahl, sprach dagegen von «durchsichtigen Versuchen der SPD, ein 'Rüttgers-gate' zu konstruieren». Es werde ein Skandal produziert, der keiner sei.

Der Video-Streit hatte schon Anfang des Monats begonnen, als Mitglieder der SPD-Jugendorganisation Jusos Videoclips von Wahlkampf-Reden des CDU-Ministerpräsidenten ins Internet stellten. So wurden abfällige Äußerungen über rumänische Arbeiter einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Kurz darauf kritisierte die SPD, die CDU habe professionelle Video-Teams zur Überwachung der SPD-Landeschefin Kraft eingesetzt. Die CDU erklärte damals, es sei seit Jahren gängige Praxis, dass Parteien sich gegenseitig beobachteten.

Landeskriminalamt eingeschaltet

Die Affäre beschäftigt nun auch das Landeskriminalamt (LKA). Schon am Mittwoch sei ein Ersuchen des Innenministeriums an das LKA ergangen, «Erhebungen durchzuführen», sagte ein LKA-Sprecher am Donnerstag in Düsseldorf. Hinter dem Ersuchen steht jedoch die Staatskanzlei, wie ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber DerWesten bestätigte.

Nach Ende dieser «Erhebungen» werde entschieden, ob «strafrechtlich relevante Sachverhalte» vorliegen. In welche Richtung die Nachforschungen gehen, ließen sowohl der LKA-Sprecher als auch der Sprecher des Innenministeriums offen.

Bei den Prüfungen dürfte es darum gehen, wie enthüllende E-Mails an die Öffentlichkeit gelangten. Die Staatskanzlei sprach nach dem Bekanntwerden von einer Bespitzelung der Regierungszentrale.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt bisher nicht in dem Fall. «Uns liegt keine Strafanzeige vor», sagte Justizsprecher Johannes Mocken. Nach Auswertung von Presseberichten gebe es «keinen Anfangsverdacht für eine Straftat». (ddp/ap/we)